Ausbilder für Waldorfpädagogen leugnet Rechtsextreme und Reichsflaggen bei Berliner Corona-Demos. Sollten Rechtsradikale mitgelaufen sein, störe ihn das nicht, sagt der Anthroposoph
Christoph J. Hueck ist eine gut vernetzte Figur der deutschen Anthroposophie, der esoterischen Weltanschauung des Hellsehers und Okkultisten Rudolf Steiner. Er war Geschäftsführer und Lehrer einer Waldorfschule, Professor an einer anthroposophischen Hochschule und ist Dozent für Waldorfpädagogik. Zudem ist Hueck Redakteur der anthroposophischen Zeitschrift Die Drei sowie Mitbegründer der Akanthos-Akademie für anthroposophische ‚Forschung‘.
Im Hessischen Rundfunk trat der Anthroposoph erst kürzlich als Verteidiger seines hellsichtigen Gurus Rudolf Steiner auf. Der sei wegen „rassistischer und antisemitischer“ Aussagen „immer wieder in der Kritik“, so „hr2“. Hueck jedoch verharmloste den Rassismus Steiners – den die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien bereits 2007 amtlich bescheinigt hatte – als „zeitgebundene“ und vereinzelte Äußerungen.
„Menschen, die immer wieder diesen Vorwurf erheben, die wollen der Anthroposophie und der Waldorfpädagogik Böses.“ (Christoph Hueck in hr2 – „Steiners religiöser Kosmos – woran glauben Anthroposophen?„, 03. April 2020)
Rudolf Steiner soll also nicht rassistischer gewesen sein, als andere Zeitgenossen auch. Und auch bei den Querfront-Demonstrationen von Stuttgart bis Berlin, in denen der einflussreiche Anthroposoph teils selbst als Redner auftrat, konnte Hueck keinen Rassismus erkennen.
Handelt es sich um eine Schwarz-Weiß-Rot-Sehschwäche?
Anthroposophen sind fester Teil der Querfront-Demonstrationen
Demonstrationen gegen Corona-Maßnahmen erfahren regelmäßig Unterstützung aus dem Umfeld der esoterischen Glaubensgemeinschaft und aus ihren Waldorfschulen. Hueck selbst gibt an, bei 10 der Demonstrationen als Redner aufgetreten zu sein.
Bei seinem Auftritt bei den „Querdenken“-Demos in Stuttgart Rede verharmlost der Anthroposoph die Gefährlichkeit des Virus, raunt über einen kommenden Impfzwang und deutet eine angebliche Verstrickungen von Bill Gates in die weltweite Pandemie an. Die Beweise für diese weltweite Verschwörung würden jedoch unterdrückt.
„Ich bin in der Ausbildung von Waldorfpädagogen, deswegen bin ich trotzdem kein Verschwörungstheoretiker„
…sagt Hueck, gefolgt von dem Aufruf zum „selbstständigen Denken„, der unter Verschwörungsmultiplikatoren gerade sehr angesagt ist.
„Es ist überhaupt nicht so, dass alle krank werden. (…)
Wenn wir ein gutes Immunsystem haben, dann kann uns das Virus überhaupt nichts ausmachen“ (Christoph Hueck, Rede über die Corona-Impfstoffentwicklung, bei „Querdenken 711“, Stuttgart, 6. Mai 2020)
Auch auf Demos in Stuttgart (06.05. und 30.05.2020), in Salem (06.06.2020) und in Tübingen (13.06.2020) trat der umtriebige Esoteriker auf. Vollends begeistert zeigt er sich jetzt über die Berliner Corona-Demos.
Anthroposophische Akademie: „Die Welt schaut auf diese Demo!“
Auf ihrer Webseite zeigt Huecks anthroposophische Akademie Videomaterial der rechtsoffenen „Tag der Freiheit“-Demonstrationen gegen Corona-Maßnahmen, die am 01. und 02. August 2020 in Berlin-Mitte stattfanden. Die Einschätzung der Demo-Teilnehmer durch die Medien ärgert Herrn Hueck offenbar:
„Bilder von der Demo in Berlin – diese Aufnahmen sprechen für sich. Sind das nun die „Covidioten“, die „Spinner, Aluhutträger und Esoteriker“, die „Rechtsradikalen und Antisemiten“, die „egoistischen Gefährder der Gesundheit und Demokratie“?!“ (Christoph Hueck, Akanthos-Akademie.de, 02. August 2020)
Unter den Demonstranten soll es angeblich „Esoteriker“, oder gar „Rechtsradikale und Antisemiten“ gegeben haben? Für Christoph Hueck kommen diese Gruppen nur in Anführungszeichen vor. In Großbuchstaben schreit er seine Begeisterung heraus über die, so möchte man vermuten, baldige Wiederherstellung der Demokratie:
„WIR SIND VIELE – UND WIR WERDEN IMMER MEHR!! EIN NEUER AUFBRUCH FÜR DEMOKRATIE, MENSCHLICHKEIT UND SOLIDARITÄT. UND DIE WELT SCHAUT AUF DIESE DEMO, DENN ÜBERALL AUF DER ERDE LEIDEN MILLIONEN MENSCHEN UNTER DEN UNSINNIGEN LOCKDOWN-MASSNAHMEN.“ (Christoph Hueck, Akanthos-Akademie.de, 02. August 2020)
Bald bemerkt ein Kommentator unter dem Artikel, dass auf den von Hueck verbreiteten Bildern durchaus „mehrere Reichsflaggen“ zu sehen seien – Rechtsradikale und Antisemiten wären Teil der Demonstrationen gewesen. Zudem sei das Demo-Motto „Tag der Freiheit“ direkt dem Titel eines nationalsozialistischen Propagandafilms von Leni Riefenstahl entlehnt.
Der Esoterik-Funktionär antwortet umgehend – und gibt sich uneinsichtig.
Anthroposoph: Rechtsextreme oder Reichsflaggen waren nicht erkennbar
Waldorf-Ausbilder Hueck will keine Rechtsextremen oder schwarz-weiß-rote Reichsflaggen gesehen haben. Auch den LKW der von Experten als rechtsextrem eingestuften Organisation „Patriotic Opposition Europe“ habe er auf dem Bildmaterial nicht gesehen:
„Ich kann das nicht erkennen“, sagt Christoph Hueck.
Das Anthroposophie.blog hilft da gerne weiter, und zeigt im folgenden einige Einzelbilder aus dem von Hueck verbreiteten Video:
Die Schwarz-Weiß-Rot-Sehschwäche des Anthroposophen ist nichts Neues. Bereits im Mai hatte eine Kommentatorin Hueck vorgeworfen, man mache sich auf Corona-Demos mit „AFD, Pegida, Antisemiten, Verschwörungsgegnern und offensichtlich rechten Vereinigungen“ gemein. Auch hier erwiderte Hueck:
„Was Sie beschreiben, konnte ich nicht wahrnehmen„.
Dass die Demonstrationen unter Beteiligung von Rechtsextremen und Antisemiten stattfanden, ist natürlich unstrittig und wurde von der überwiegenden Mehrheit der Medien einhellig berichtet – und zwar weltweit. Die New York Times schreibt:
„Der Protest unter dem Motto „Tag der Freiheit“ – so der Titel eines Nazi-Propagandafilms von Leni Riefenstahl aus dem Jahr 1935 – wurde von bekannten Neonazi-Gruppen und Verschwörungstheoretikern unterstützt.“ (The New York Times – „Infektionen überschwemmen die USA„, 01.08.2020)
Waldorf-Funktionär bekundet Toleranz für Rechtsextreme
Kritik am Motto der Demo ist für Hueck „nicht weiter diskussionswürdig“. Pauschal spricht der Steiner-Anhänger von einer Abgrenzung nach „links“ und „rechts“, doch dann folgt eine gefährliche Einlassung. Die Anthroposophen und die Rechtsextremen werden sprachlich zu einem „Wir“:
„Sollten tatsächlich ein paar Rechtsradikale auf der Demo mitgelaufen sein, dann stört mich auch das nicht, denn wir sind gegen die vollkommen unverhältnismäßigen Regierungsmaßnahmen auf die Straße gegangen.“ (Christoph Hueck, Akanthos-Akademie.de, 02. August 2020)
Ein erschreckendes Fazit: Jemand, der Lehrer ausbildet, leugnet die Anwesenheit von Extremisten und „stört sich nicht“ an Rechtsradikalen.
Und die gab es zu genüge. Das Spektrum der rechten Demonstranten reichte von Reichsbürgern und Rechtsextremen bis zur rechts-anthroposophischen Kleinpartei „Neue Mitte“. In einer ausführlichen Fotogalerie bei Flickr zeigt der freie Journalist Tim Mönch erschreckende Bilder, auf denen auch Holocaust-Leugner zu sehen sind.
Auch Holocaust-Leugner unter den Demonstranten
Mönchs Bilder zeigen Demonstranten, die T-Shirts mit Reichsadler, der Aufschrift „Wir sind stolz, Deutsche zu sein“ oder dem Logo der bei Rechten beliebten Modemarke „Peripetie“ tragen. Für diese Marke wirbt auch der AfD-Politiker Björn Höcke. (Zur Erinnerung: Der vom Verfassungsschutz beobachtete Rechtsextremist darf laut einem Gerichtsurteil als Faschist bezeichnet werden).
Auf der Berliner Demo dokumentierte Mönch auch Holocaust-Leugner:
„Unter den Teilnehmenden waren zahlreiche Antisemiten, die sich auf antisemitische Verschwörungserzählungen wie die „Protokolle der Weisen von Zion“ oder eine „New World Order“ bezogen.“ (Tim Mönch via Twitter)
Rassismus bis in die Führungsebenen der Demonstrationen hinein
Laut dem ARD-Magazin Kontraste wurde die Presse auf den Demonstrationen auch körperlich „massiv angegriffen„. Journalistinnen wie Dunja Hayali vom ZDF oder Doro Steitz von NTV mussten ihre Dreharbeiten wegen der Bedrängung durch aggressive Demonstranten abbrechen.
Die Nähe der Corona-Demonstrationen nach rechts ist derweil kein Geheimnis mehr: Auf Aufnahmen ist zu sehen, wie der durch rassistische Aussagen aufgefallene Pressesprecher der „Querdenken 711“-Demonstrationen Stephan Bergmann den rechtsextremen und antisemitischen „Volkslehrer“ Nikolai Nerling herzlich umarmt.
Demo-Organisator Bergmann war zuletzt durch rassistische Posts aufgefallen:
„Mehrfach verbreitete Stephan Bergmann Posts, in denen vor einer „Vermischung der Rassen“ gewarnt wird. In diesem hier wird vor der Züchtung einer „hellbraunen Rasse in Europa“ gewarnt. Durch die Vermischung solle der Intelligenzquotient der weißen Bevölkerung gedrückt werden.“ (Der Tagesspiegel – „Der Hass, den Stephan Bergmann im Netz verbreitete„, 31.07.2020)
Die rassistischen Posts des „Querdenken 711″-Organisators zeigen erstaunliche Parallelen zu rassistischen Thesen des Anthroposophie-Gründers Rudolf Steiner. Der meinte, die “N****rasse gehört nicht zu Europa“ (Quelle) und: „Je mehr die blonden Rassen ausstreben, desto dümmer werden die Menschen“ (Quelle).
Rassismus verschwindet nicht, wenn man ihn ignoriert – oder schlimmer, wenn man ihn toleriert. Sascha Lobo schreibt im Spiegel über die Berliner Demo:
„Am Ende ließ sich das Demopublikum politisch in zwei Gruppen einteilen: Rechtsextreme und Leute, die gemeinsam mit Rechtsextremen demonstrieren.“ (Der Spiegel – „Verschwörungs-Ideologie zum Mitmachen„, 05.08.2020)
Der auf dem rechten Auge schwache Anthroposoph Hueck aber zeigt sich von den Vorwürfen gegen die Berliner Demonstration amüsiert:
Es sei „lächerlich“ von einer rechten Unterwanderung zu sprechen.
Weiterführende Links:
Holocaust-Leugner erfreut über Reichsfahnen: „Der Antisemit, Holocaust-Leugner und Neonazi „#Reichsbürger“ Gerhard Ittner schreibt mir mal wieder unaufgefordert. Auch er war am 1.8. in Berlin und erfreute sich an der Akzeptanz von Reichsfahnen und der Gemeinschaft gegen die #NWO.“ (Jan Rathje, Twitter, 07.08.2020)
Anthroposoph*innen und Rechtsextremisten gemeinsam in Berlin: „Über sechs Kilometer liefen Anhänger_innen der Esoterik und der Anthroposophie neben Verschwörungsideolog_innen und Akteur_innen aus rechtsextremen Organisationen und Parteien.“ (RIAS Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus, Facebook, 07.08.2020)
Wer Rechtsextreme leugnet, der lügt: „Symbole rechtsextremer Gruppierungen, T-Shirts mit fragwürdigen Statements oder Fahnen in den Farben des Deutschen Reiches waren am Samstag in Berlin omnipräsent. Wer behauptet, dass hier keine Rechtsextremen teilnehmen würden, belügt andere – oder zumindest sich selbst.“ (Belltower News, „Kein Sicherheitsabstand zu Gewalt„, 03.08.2020