Führer einer rechtsextremen Bewegung verbreitet Thesen des Hellsehers Rudolf Steiner: In einer Kochshow kritisiert er die Ernährung mit „ausländischen“ Kartoffeln. Der Anthroposophie-Gründer befand, dass Kartoffeln dumm machen.
Inszenierte „Selbstverharmlosung“: Neuerdings tritt der Führer einer vom Verfassungsschutz beobachteten völkischen Bewegung in einer eigenen, locker-sympathisch inszenierten Koch-Show auf. Der Österreicher gilt als Führungsfigur innerhalb der neuen europäischen Rechtsextremen.
Kartoffeln werden in der Youtube-Show jedoch nicht gekocht: Als Beilage zum Gericht „Wiener Schnitzel mit steirischem Endiviensalat“ lehnt der Aktivist die Kartoffelknolle ab. Ein Grund: sie komme „aus dem Ausland“ und sei „nicht gut für Mitteleuropäer“. Das habe er von einem Anthroposophen gelernt.
Woher kommt diese These?
„Ich bin kein Kartoffelfreund. Ich habe mal den Vortrag eines Anthroposophen gehört, der gemeint hat, die Kartoffel wäre keine gute Frucht für Mitteleuropäer. Sie kommt aus dem Ausland, sie wächst unter der Erde als Nachtschattengewächs, und wir sollten viel mehr Korn essen.“ (Martin S., 2020)
Woher kommt aber die Ablehnung der esoterischen Glaubensgemeinschaft der Anthroposophen gegenüber Kartoffeln? Dazu müssen wir 100 Jahre zurückgehen.
Warum Kartoffeln dem Kopf schaden
Für den Anthroposophie-Gründer Rudolf Steiner waren der Mensch und der Kosmos in gemeinsamer Evolution verbunden. Zwischen Pflanzen, Tieren und Menschen erfand er komplexe Beziehungen und zahlreiche wundersame Analogien:
Der Aufbau einer Pflanze, so der selbsternannte Hellseher, ähnele dem Aufbau des menschlichen Körpers, nur sei dieser auf den Kopf gestellt: Die Wurzeln einer Pflanze seien beim Menschen „mit dem Kopf verwandt“.
Es sind auch zahlreiche Ernährungstipps des Hellsehers überliefert: Melonen „verdunkelten den Verstand“, Gurken verstärkten Gefühle von „Neid und Missgunst“, zu viele Äpfel führten zu „Herrschsucht und Brutalität“ und Pilze seien „ungemein schädlich, sie enthalten hemmende Mondenkraft„.
Oft sprach Steiner von der Kartoffelknolle. Diese sei ein Ding, das „nicht ganz Wurzel geworden ist„, und eine solchermaßen quasi in ihrer Entwicklung gestörte Wurzel könne demnach auch nicht gut sein für das menschliche Gehirn:
“So dass es also so ist, dass mit dem Kartoffelessen die Menschen in Europa ihren Kopf, ihr Gehirn vernachlässigt haben. Diesen Zusammenhang sieht man erst, wenn man Geisteswissenschaft treibt.
Da sagt man sich: Seit in Europa diese Kartoffelnahrung immer mehr und mehr überhand genommen hat, seit der Zeit ist der Kopf der Menschen unfähiger geworden.” (Rudolf Steiner, “Vorträge für die Arbeiter am Goetheanumbau”, 1923)
In einem anderen Vortrag befindet Steiner, wenn der Mensch also Kartoffeln esse, „wird seine Lunge und sein Herz schwach“. So sei auch die Tuberkulose zu erklären: „Die Lungentuberkulose, die nahm erst überhand, als die Kartoffelnahrung eingeführt wurde!”.
Führende anthroposophische ‚Medizinerin‘ rät von Kartoffeln ab
Noch heute, 100 Jahre später, findet sich Rudolf Steiners These von angeblich schädlichen Kartoffeln. So warnt die führende anthroposophische “Medizinerin” Dr. Michaela Glöckler, ehemals jahrzehntelang Leiterin der “medizinischen“ Sektion an der Schweizer Anthroposophie-Zentrale Goetheanum vor dem „Kartoffelgenuß“:
“Wurzeln unter der Oberfläche entsprechen dem Nerven-Sinnes-System“. Kartoffeln „regen es nicht an“.
In der Schwangerschaft und im ersten Lebensjahr raten wir von regelmäßigem Kartoffelgenuß ganz ab.“ (Michaela Glöckler in „Kindersprechstunde. Ein medizinisch-pädagogischer Ratgeber„, 2016)
Genau wie der Rechtsextreme empfiehlt auch Frau Glöckler anstatt von Kartoffeln Getreide zu essen. Glöckler, die Rudolf Steiner als „Propheten“ verehrt, gibt viele weitere Ernährungstipps: So sollte man Fast-Food meiden, da es laut der Grande Dame der anthroposophischen „Medizin“ den „Ätherleib langweilt„.
Steiners Wurzelgleichnis in der Waldorfschule
Selbst in der anthroposophischen Waldorfschule findet man das Kartoffelgleichnis des Hellsehers Steiner wieder. Die „Erziehungskunst“, offizielle Zeitschrift des Bundes der freien Waldorfschulen, schrieb 2014 über die „Pflanze als umgekehrten Menschen„.
Das sei nicht nur ein schönes Gleichnis im Fach „Pflanzenkunde“, nein: So könnte auch das leidige Thema Sexualkunde an die Kinder herangetragen werden, ohne den, Zitat, „Befruchtungsvorgang“ schildern zu müssen:
„Man kann die Pflanze als einen umgekehrten Menschen erleben. Während der Kopf des Menschen zur Sonne, zum Himmel gerichtet ist und seine Fortpflanzungsorgane zur Erde, ist es bei der Pflanze umgekehrt: In der dunklen Abgeschiedenheit der Erde wächst die Wurzel. Sie ist der »findige« Teil der Pflanze, denn sie sucht den Weg zum Wasser. Diese Findigkeit wäre am ehesten vergleichbar mit der Kopf-, Nerven- und Sinnestätigkeit des Menschen, der in der dunklen Abgeschiedenheit seines Schädels »Findigkeit« entwickelt.“ (Erziehungskunst, „Bilder, die die Seele nähren. Warum Waldorflehrer Gleichnisse erzählen„, April 2014)
Identische Thesen im Waldorfkindergarten
Die Vereinigung der Waldorfkindergärten schreibt auf ihrer offiziellen Webseite zum Thema Ernährung das selbe: Wurzeln von Pflanzen regen die „Nerven-Sinnes-Prozesse“ an:
„Bei der Ernährung schließlich ist ebenfalls auf Gesundheit und Ausgewogenheit zu achten. Es ist sinnvoll, Nahrungsmittel verschiedener Pflanzenteile (Wurzel, Stengel, Blatt, Blüte oder Frucht) zu kombinieren, denn in jedem dieser Pflanzenteile findet während des Wachstums eine andere Wechselwirkung mit den Kräften aus der Umgebung statt. Dadurch werden dem menschlichen Organismus unterschiedliche Anregungen geboten: die Wurzeln regen die Nerven-Sinnes-Prozesse an, die Blattorgane wirken auf das rhythmische System und die Blüten oder Früchte auf die Stoffwechselvorgänge.“ (Waldorfkindergarten.de – „Das Grundprinzip der Waldorfpädagogik – Ernährung„, Stand: 06.07.2020)
Weiter heißt es, zur „Gesunderhaltung der Erde“ seien „besonders die Produkte aus biologisch-dynamischer Landwirtschaft“ wertvoll.
Demeter-Bauern haben die dicksten Kartoffeln
Dass die Anthroposophie sich auch in Sachen Ernährung nach ihrem Gründer richtet, findet man auch beim esoterischen Anbauverband Demeter. Der auf Astrologie und Okkultismus basierenden Anbaumethode läge eine auf Steiner basierende „Mission“ zu Grunde:
„Inspiriert werden wir von den Anregungen der Anthroposophie Rudolf Steiners, insbesondere von seinem „Landwirtschaftlichen Kurs“. An der Weiterentwicklung der biodynamischen Land- und Ernährungswirtschaft arbeiten wir erkenntnistheoretisch, wissenschaftlich, transdisziplinär, lösungsorientiert und praktisch.
Die gewonnenen Erkenntnisse vermitteln wir über Bildung, Beratung und Information. Auf dieser Grundlage entwickeln wir eine ganzheitliche Agrar- und Ernährungskultur.“ (Demeter-Richtlinien, aus der Einleitung: „Mission„, 2015)
Auch Demeter-Vorstand Alexander Gerber war sich bei seiner Rede auf den Öko-Marketingtagen 2019 sicher, dass eine „ganzheitliche Ernährungskultur“ für die Verbraucher „heilsam“ sei, ja – der Konsument würde durch bio-dynamische Ernährung sogar „spirituell wachsen“!
Und Rudolf Steiner wusste, dass die Berücksichtigung kosmischer Rhythmen oder die Anwendung magischer Rühr-Rituale dem Bauern zu guter Ernte verhelfen würden:
„Man ist erstaunt als Landwirt, wenn man durch eine Maßnahme augenblicklich große Kartoffeln hat!“ (Rudolf Steiner)
Waldorfschulen „belustigt“: Ernährungslehre existiert nicht
Der Bund der Waldorfschulen, ihre offizielle Hauszeitung, die Waldorf-Kindergärten, die anthroposophische Medizin sind sich bei der Kartoffel also einig. Da könnte man vermuten, dass die Ernährungstipps des Schulgründers auch umgesetzt werden.
Laut einer Masterthesis zur Verpflegung an Waldorfschulen servieren immerhin 8 von 10 Schulen ausschließlich die angeblich spirituell heilsame Nahrung aus anthroposophischen Demeter-Anbau. Ebenso viele Schulen verzichten auf Mikrowellen-Geräte, weil diese kostbare ätherische Vitalkräfte zerstören würden.
Die anthroposophische Bewegung will ihre, nennen wir es „verblüffenden“ Ansichten jedoch nur ungern in der Öffentlichkeit verbreitet sehen. Kommt es hart auf hart, leugnet sie ihre Grundsätze dann schlichtweg – auch bei Kartoffeln:
Obwohl das Magazin „Erziehungskunst“ noch kurz vorher in den Schulen auslag, gaben mehrere Rudolf-Steiner-Schulen auf Nachfrage der Neuen Zürcher Zeitung in 2015an, nichts von der Existenz irgendeiner Steinerschen Ernährungslehre zu wissen. Man gibt sich über diese Unterstellung belustigt:
„Die Frage, ob Kartoffeln auch heute noch gemieden würden, führt zu Irritation und Belustigung unter Vertretern angefragter Rudolf-Steiner-Schulen: In der anthroposophischen Ernährungslehre gebe es keine strikten Regeln für oder gegen ein Nahrungsmittel.“ (NZZ – „Die Kartoffeln und der Mond„, 2015)
Credit Foto: https://www.pexels.com/de-de/foto/lebensmittel-kartoffeln-ernte-frisch-4110476/
Das nicht auszurottende falsche Analogiedenken – ob in der Steinerschen Variante, in der Hahnemannschen oder wie auch immer – richtet nach wie vor viel Unheil an. Es sitzt evolutionär tief bei den Menschen und kann offenbar auch heute noch schnell angesprochen werden.
Ist Hahnemanns Ähnlichkeitsprinzip zwar falsch, so ist es doch Ergebnis einer gedanklichen Auseinandersetzung mit dem Wissensstand seiner Zeit. Welches Kompliment man Steiner gut 100 Jahre später nicht machen kann – seine Ideen sind so hanebüchen und allein esoterisch-fantastisch „begründet“, dass sie tatsächlich nur mit dem Anspruch legitimiert werden können, Gegenstand einer anderen, der „Geisteswissenschaft“ der Anthropophen zu sein.
Brauchen, wollen, können wir uns eine „Wissenschaft“, die die Grenzen der realen Welt niederreißen will, leisten? Ganz bestimmt nicht.
Wie halten sie es eigentlich mit Kaffee? Kakao? Tee?
Wahrscheinlich kommt als Warmgetränk nur Pfefferminztee von der heimischen, biodynamisch aufgezogenen Pflanze in Frage. Oder Hagebuttentee, oder Kamille.
Essen sie eigentlich Früchte, die aus dem Ausland kommen? Orangen, Zitronen, Bananen?
Tomaten sind auch Nachtschattengewächse. Das sicher nicht.
Körner, ja. Jeden Wochentag anderes Korn, zum Beispiel: Sonntags Weizen, weil Sonntag, wie ja der Name schon sagt, der Tag der Sonne ist, und zur Sonne gehört der Weizen. Der Montag ist der Mond-Tag, und zum Mond gehört der Reis. Und so weiter. Erläuterungen bei:
https://www.bio-blog.de/2017/11/17/sieben-koerner-sieben-tage-sieben-planeten/
Außerdem gilt die Regel: Ein Drittel Wurzel, ein Drittel Blatt, ein Drittel Frucht.
Alle Regeln sind ungeschrieben, weil der Mensch ist frei.
Diese Diät wirkt. Rudolf Steiner war nicht dick und seine Anhänger sind auch fast alle hager. Besonders in den oberen Etagen. Corporate identity!
Ah ich habe mich in der Person getäuscht. Habe den Lichte mit einem anderen Ex- Seminaristen verwechselt. Das tut mir leid.
Die Art und Weise wie hier „journalistisch“ gearbeitet wird, hatte mich erinnern lassen.
Hellseher…esoterisch…???
Übrigens hat niemand auch Steiner selbst nicht, sich als Hellseher bezeichnet.
Was ist eigentlich schief gelaufen in dein Leben das du dir extra Zeit nimmst um ein bestimmtes Thema so zu Hetzen und runter zu machen. Ich meine das muss echt viel Energie kosten. Waren deine Eltern Anthros und haben dich zu wenig geliebt?
Ich kann mir sowas nicht erklären. Es ist ok mit einer Weltanschauung nicht einverstanden zu sein. Aber sich Zeit zu nehmen um einen Gegen Steiner und Anthroposophie einen Blog zu schreiben, finde traurig…Ich finde dich nur traurig.
Schreib doch über Christentum in generell (in Bibel stehen auch viele Märchen) oder Muslimische Welt oder Buddhistische Welt.
Alles nur Märchen…gel
Wenn du nur Auszüge liest, kein Zusammenhang verstehst und einfach die ganze Anthroposophie in eine schulblade hast, bist nur ein schlechter Autor. (Fun Fact : Steiner hat vor 100 Jahre gelebt, also ja, manche Dinge sind nicht mehr relevant. Das wissen aber die Leser meistens auch
Leb doch dein Leben, Glaub in was DU willst, lass andere sein und glauben in was die Wollen.
Menschen wie du sind das Problem doch in diese Welt: So viel Negativität zu verbreiten und es mit „Aufklärung “ zu begründen.
Und kauf je kein Demeter Produkte oder generell Bio… Die könnten ungesund sein …pun indended
mmhhh…“Dein Kommentar wartet auf die Moderation. Dies ist eine Vorschau, dein Kommentar wird sichtbar, nachdem er genehmigt wurde“
So viel mit Meinungsfreicheit … So ein Doppel Moral.
„(…) Übrigens hat niemand auch Steiner selbst nicht, sich als Hellseher bezeichnet.(…)“
Nun, er will schon mit sieben Jahren den (weit entfernt stattfindenden) Suizid seiner Tante in einer Vision beobachtet haben. Sagte er zumindest 1913. Das könnte man schon als „ziemlich hellsichtig“ bezeichnen, von der Sache mit der Akasha-Chronik mal ganz abgesehen. Komisch, dass Steiner da nie im Lotto gewonnen hat…
Aber gut, lassen wir’s gelten, niemand, er selbst eingeschlossen, bezeichnete ihn als hellsichtig, ok. Auch, wenn es bei ihm um kaum was anderes als Hellsichtigkeit geht.
Das braucht’s auch gar nicht, der Mann hat allen Ernstes ein fünftes Evangelium (!) verfasst (aus der übersinnlichen Akasha-Chronik entnommen, die man nur als Hellsicht… achlassenwirdas). Damit stellt er sich faktisch auf eine Stufe mit den Verfassern der anderen vier Evangelien. Also mit Heiligen.
Warum sollte man sich da noch zusätzlich als hellsichtig ausgeben wollen? Welchen weiteren Selbstübersteigerungseffekt sollte man da denn noch mitnehmen können?
@ Anthroerfahrener
hast du ein Problem mit der Natascha-Chronik?
ist doch schön, wenn Frau alles weiß! Hier mehr zur Natascha-Akasha-Chronik: https://hpd.de/artikel/10883