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Neues von der Querfront

Logo der Freien Waldorfschule Görlitz „Jacob Böhme“

Görlitzer Waldorflehrer schickt Email mit Verschwörungstheorien an Eltern. Die organisieren zusammen mit Lehrern eine Demonstration gegen Corona-Maßnahmen.

Während die Corona-Pandemie andauert, nimmt die Gegnerschaft gegen staatliche Maßnahmen zur Eindämmung des Virus zu. Bei regierungskritischen „Hygiene-Demos“ bilden sich erstaunliche Querfront-Bündnisse: links-alternative Haltungen und rechts-nationalistische Ansichten mischen sich mit esoterischen Positionen. Ihre gemeinsame Basis finden sie in Verschwörungserzählungen.

Sachliche und rationale Kritik an Corona-Maßnahmen hat es da schwer, Gehör zu finden. Die Querfront verwendet zunehmend Sprachmuster wie „Gleichschaltung“ und „Mainstream-Medien“, die man vom rechten Rand kennt. Gemeinsam misstraut man Politik und öffentlich-rechtlichen Medien, wittert eine groß angelegte Verschwörung.

Für die Esoterik in dieser Querfront sind vor allem die ohnehin „impfkritischen“ Anthroposophen und ihre Waldorfschulen zuständig. Die vom österreichischen Hellseher und Okkultisten Rudolf Steiner gegründeten Privatschulen stehen traditionell irrationalen Weltbildern nahe. Und ebenso traditionell haben sie Schwierigkeiten, sich wirkungsvoll gegen Extremismus abzugrenzen.

Es verwundert nicht, dass eine „Hygiene-Demo“ in Überlingen vom ehemaligen Waldorf-Vorstand angemeldet wurde, bei einer Demo in Stuttgart ein prominenter Waldorf-Funktionär eine Rede hielt oder eine Waldorf-Schulzeitung Verschwörungsmythen rund um Corona verbreitet.

Nun ist es also ein ein Waldorflehrer der erst neu gegründeten Freien Waldorfschule Görlitz „Jacob Böhme“, der nicht an Verschwörungs-Superlativen spart.

Brisant ist dabei, dass er seine Thesen nicht nur im Privatleben vertritt. Der Waldorflehrer versendet Verschwörungsmythen per E-Mail direkt an die Elternschaft der Schule.

Waldorfeltern erhalten fragwürdige E-Mail

In einer E-Mail mit dem Betreff „Prof. Dr. Shiva Ayyadurai“ verschickte der Waldorflehrer Thomas B. einen Haufen wirrer Thesen an die Eltern. Es geht um die angeblich „inszenierte“ Corona-Krise, den „Wahnsinn der weltweiten politischen Manipulationen durch die Pharmalobby„, die „Gleichschaltung der Medien“ und eine „gewollte, brutale Aktion zur Knechtung und Ausbeutung der ganzen Menschheit„:

Selbstverständlich steht es auch einem Waldorflehrer völlig frei zu glauben und zu äußern, was immer er mag. Eltern aber ohne deren Einwilligung mit Corona-Leugnung zu behelligen, gehört sicherlich nicht zu seinen Grundrechten – von einem möglichen Verstoß gegen den Datenschutz ganz zu schweigen. Woher B. die E-Mail-Adressen hat, ist unklar.

Besonderen Stellenwert hat die Verschwörungs-Erzählung des Alternativ-Pädagogen, wenn man berücksichtigt, dass sich aus der Eltern- und Lehrerschaft eine Görlitzer Corona-Demo gebildet hat.

Was treibt ihn um, den Lehrer B.?

Waldorflehrer als Corona-Leugner

In seinem privaten Blog „Zauberlehrlings-Politik“ kritisiert der Eurythmie-Lehrer den „wissenschaftlichen Dilettantismus während der Corona-Krise„.

Die „wirklichen Zusammenhänge“ würden nicht erkannt, die Politik übergebe das Ruder vermeintlichen „Experten“ wie dem Virologen Christian Drosten. Das sei gefährlich, untermauert er mit einem drastischen Fichte-Zitat:

Spezialwissenschaften, nur für sich genommen, sind Todes- und Vernichtungsarten, ja sogar Todes- und Mordarten.

So geht es in einem fort. Die „machtpolitisch durchgesetzten“ Corona-Maßnahmen seien „systemische Gewalt“ die Menschen traumatisiere wie das „Stockholm-Syndrom„. Herr B. findet sogar Parallelen zum Mao-Regime und der „Gleichschaltung“ im Nationalsozialismus. Mit weniger als Hitler-Vergleichen argumentieren die Anthroposophen dieser Tage wohl nicht mehr.

Wer wie der umstrittene Arzt Wolfgang Wodarg nicht „Regierungsmeinung“ vertrete, werde „als Verschwörungstheoretiker diffamiert„, so der Eurythmist. Der von Robert-Koch-Institut und WHO kritisierte Wodarg durfte zuvor im Waldorfschulen-Hausmagazin „Erziehungskunst“ das Coronavirus verharmlosen und Verantwortlichen „Panikmache“ unterstellen.

Obwohl Lehrer B. von seinen kritischen Artikeln bereits die vierte Ausgabe veröffentlicht hat, beklagt er, dass es keinen „freien öffentlichen Debattenraum“ mehr gebe. Allein Lehrer B. bloggt und mailt noch tapfer gegen die Versklavung der Menschheit an:

„Was wir zur Zeit als „Corona-Krise“ erleben, ist eine knallharte Inszenierung gewisser Kreise der Pharmaindustrie…der Wahnsinn der weltweiten politischen Manipulationen durch die Pharmalobby,… die damit einhergehende Gleichschaltung der Medien (…)

Eine gewollte, brutale und weitreichend vorbereitete Aktion zur Knechtung und Ausbeutung der ganzen Menschheit“ (Zitat Prof. Dr. Shiva Ayyadurai, gekürzt, aus dem Blog von Waldorflehrer Thomas B.)


Waldorf verbindet Verschwörungs-Ideologen

Erst vor wenigen Tagen gab es an einer anderen Waldorfschule einen ganz ähnlichen Vorfall – und der zeigt Verbindungen nach Görlitz:

Lehrer B. hat auch noch ein weiteres Projekt: Als „Kunstaktion“ hat er die „Wilhelm von Humboldt-Partei“ gegründet. Das „Parteiprogramm“, welches sich an „denkende Menschen“ richtet, kann als staatskritisch verstanden werden.

Oben auf der Mitglieder-Liste der „Partei“ findet sich ein alter Bekannter: Jens G., von der Waldorfschule Sorsum. Der „alternativ-wissenschaftlich“ interessierte Bibliothekar arbeitet laut eigenen Angaben bereits seit 2002 mit dem Görlitzer Waldorflehrer Thomas B. zusammen.

Waldorf-Bibliothekar G. war durch die Verbreitung wirrer Verschwörungsmythen in der Sorsumer Waldorf-Schulzeitung aufgefallen. Darin vermischte er mittels astrologischer Zahlenspiele die Corona-Pandemie mit dem Terror von 9/11 und Hitlers Geburtstag und raunte über einen womöglich käuflichen Virologen Drosten und eine Verwicklung von Bill Gates.

Ähnliches hört man aus den alternativen Universitäten, Ärzteschaften, Medien und Schulen anthroposophischen Glaubens, die auch als erstes gegen Maskenpflicht in der Schule und das Masernschutzgesetz klagten.

Das Coronavirus wird verharmlost, die Gegenmaßnahmen werden als „Diktatur“ oder „Faschismus“ überhöht – und es wird zum „Widerstand“ aufgerufen. Aus den irrationalen Weltbildern und den alternativen Wahrheiten der Esoteriker wird so konkreter Protest auf der Straße.


Corona-Demo aus der Schule, mit der Schule – aber nicht „von“ der Schule

Eltern und Lehrer der Görlitzer Privatschule organisieren seit einigen Wochen eine Corona-Demonstration für „Grundrechte“, bei der Reden gehalten werden und gemeinsam gesungen wird.

Screenshot: Bericht „Lieder Demo in Görlitz“ von Radio Lausitz

Die Eltern wurden zu diesen Demonstrationen, quasi halb-offiziell, von Frau M. aus dem Elternrat eingeladen. Interessant: Frau M. war im Vorjahr am Vernetzungstreffen „Freie Sommeruniversität“ der Waldorfschule Sorsum beteiligt – genau wie die Verschwörungs-Multiplikatoren Lehrer B. und Bibliothekar G. Ein Schelm, wer „Verschwörung!“ dabei denkt.

Die Demonstrationen seien „unabhängig von der Schule“ und würden lediglich „von einzelnen Kolleg/innen als Privatpersonen unterstützt„, schreibt die Schulzeitung „Böhme-Bote“ – und weist unter der Rubrik „Aus der Schulführungskonferenz“ zur Sicherheit noch einmal auf die Veranstaltung hin.

Sie demonstrierten gegen die „sehr starke Beschneidung von Grundrechten“ welche „Leben ruinieren„, Gemeinsame Treffen seien „gut für die Gesundheit“ und besser als „eingesperrt zuhause“ zu sein, sagte eine sich völlig ungehindert auf dem Marktplatz bewegende Teilnehmerin im Interview mit Radio Lausitz, während sie ihr Grundrecht auf freie Meinungsäußerung ausübte.

Die Sächsische Zeitung kommentiert die Görlitzer Demos bissig:

„Singende Frauen auf dem Marienplatz (…): Sie glauben nicht an die Gefährlichkeit des neuen Virus, sie glauben deswegen nicht, dass Abstand halten und Hygieneauflagen nötig sind (…)

Dass die Görlitzer auf die Straße gehen können, straft aber ihre Klage über die Einschränkung der Bürgerrechte Lügen.“ (Sebastian Beutler – „Wer darf denn nicht demonstrieren?„, Sächsische Zeitung, 12.05.2020)

So richtig glaubt man an der sächsischen Privatschule offenbar nicht an eine Virus-Gefahr, an Abstandsregeln oder das Tragen von Masken. Nein, in Görlitz steht man lieber eng zusammen und singt sich frohen Mutes gegenseitig ins Gesicht. Die Demonstranten fordern ihr „Recht auf Infektion“ ein und wollen damit „denen da oben“ was husten.

Die selben Lehrer, die selben Eltern treffen schon am nächsten Montag wieder aufeinander, denn in der Freien Waldorfschule Görlitz geht es mit dem Unterricht weiter.

Für die Grundschüler sogar in voller Klassenstärke. Und ohne lästige Abstandsregeln.


Sächsische Zeitung: „Corona ist eine Inszenierung der Pharmaindustrie“

Waldorflehrerin, die Demo anmeldete, steht zu „mutigem“ Kollegen, Schule distanziert sich inhaltlich in keiner Weise. Verschwörungsideologe ist weiter im Schulvorstand

Screenshot der Sächsischen Zeitung mit Foto der Corona-Demo auf dem Marienplatz mit einem Transparent „Es gibt NOCH Grundrechte“, Demo-Teilnehmern und Musikern.

Die Sächsische Zeitung schreibt am 16.02.2020 über die Vorfälle: „Wie halten es Lehrer der Görlitzer Waldorfschule mit der Corona-Pandemie? Eine Frage mit Zündstoff.“

Eine Görlitzer Waldorfmutter erzählt von erhaltenen Emails, die unter anderem vom Waldorflehrer Thomas B. stammten. Darin finden sich Aussagen wie diese: Corona sei eine…

… gewollte, brutale und weitreichend vorbereitete Aktion zur Knechtung und Ausbeutung der ganzen Menschheit ist.

Die Mutter finde die vom Waldorflehrer verbreiteten Thesen „abgedreht„. Der Lehrer B. will die Emails nicht gezielt an Waldorfeltern geschickt haben, aber an eine befreundete Waldorfmutter der Schule schon.

Seine Kollegin, die die Corona-Demo (Slogan u. a.: „Es gibt NOCH Grundrechte“) mit angemeldet hatte, wolle „daran erinnern, dass wir unsere Grundrechte auf jeden Fall zurück wollen„. Das habe nichts mit der Schule zu tun, die Verbreitung durch eine Elternrätin über den Schulverteiler sei „unpassend“ gewesen.

Die verschwörungsideologischen Fake News ihres Kollegen hält die Waldorflehrerin für eine „mutige Meinung“ – und ergänzt diese noch um einem Impfgegner-Verschwörungsmythos:

Waldorflehrerin lobt Fake News des Kollegen als „mutige Meinung“

Hört sich zunächst nicht nach Verschwörungstheorie an. Ob sie die zweite E-Mail, die ihres Kollegen, kenne? „Ich finde es mutig, dass er seine Meinung so äußert“, sagt die Lehrerin. Jeder solle seine Meinung vertreten können. Ob die Meinung des Lehrers auch die ihre ist? Bei dem Punkt, die Corona-Krise sei eine „knallharte Inszenierung gewisser Kreise der Pharmaindustrie“ offenbar ja: „Mal ganz ehrlich, das sieht man doch.“ Zum Beispiel beim Thema Impfung.“ (Sächsische Zeitung, „Corona ist eine Inszenierung der Pharmaindustrie„, 16.06.2020)

Keine Kritik der Schule an den Corona-Demos

Der Geschäftsführer der Görlitzer Waldorfschule Lutz Ackermann betonte mehrfach, dass zwischen den Demonstrationen und Schule „keine Verbindung“ bestehe. Die Waldorfmutter bemerkt aber, dass in der aktuellen Schulzeitung „gleich nochmal auf den genauen Tag der Demo hingewiesen wurde„.

Hinweise auf die Demonstrationen scheinen für die Schule in Ordnung zu sein, Kritik daran hingegen nicht:

Sucht man auch eine inhaltliche Distanzierung, dann vergeblich.“ (Sächsische Zeitung, „Corona ist eine Inszenierung der Pharmaindustrie„, 16.06.2020)

Eltern werden ermahnt, aber Verschwörungsideologe bleibt unbehelligt

Was nicht in der Zeitung steht: In einem Brief der Schule an die Eltern gab es die Ermahnung, Einladungen zur Corona-Demo und Verschwörungstheorien dürften nicht an den Email-Gesamtverteiler geschickt werden.

Auf den Waldorflehrer Thomas B., der den Skandal mit seiner Email-Aktion, erst ausgelöst hatte, gingen Schule oder Geschäftsführer mit keinem Wort ein. Der Verschwörungsideologe Thomas B. ist weiterhin Waldorflehrer an der Görlitzer Privatschule – und weiterhin Mitglied des Vorstandes.


Görlitzer Bürgermeister: Verschwörungstheorien haben nichts mit Waldorf zu tun

Screenshot: Webseite der Sächsischen Zeitung, Foto (c) Andre Schulze / SZ

Der Bürgermeister von Görlitz streitet jeden Zusammenhang zwischen Waldorfschulen und Verschwörungstheorien deutlich ab. Er war selbst Waldorfschüler und soll auch seine Kinder zur Waldorfschule schicken

Am 19.06.2020 veröffentlicht die Sächsische Zeitung unter dem Titel „“Wie anfällig ist Waldorf für Verschwörungstheorien?“ ein Interview mit dem Görlitzer Bürgermeister Michael Wieler.

Über die Waldorfschulen ist Bürgermeister Wieler des Lobes voll:

Die Waldorfschule (…) hat Potenziale bei mir eröffnet (…), das kreative Potenzial, das Interesse an Philosophie. (…) Auf der Waldorfschule habe ich meine eigene Motivation entdeckt, nicht nur einfach Wissen zu verinnerlichen, sondern Dinge verstehen zu wollen, Fragen auf den Grund zu gehen.“ (Michael Wieler, Sächsische Zeitung vom 19.06.2020)

Die Zeitung fragt nach zahlreichen Vorfällen mit Verschwörungstheorien, nicht nur in Görlitz – auch in Sorsum und an anderen Schulen. Die SZ fragt: „Gibt es etwas im Waldorfkonzept, das es anfällig macht?

Für mich gar nicht. Was Sie beschreiben, entspricht auch nicht meinen Erfahrungen und geht aus meinem eigenen Erleben in keiner Weise aus der Waldorfpädagogik hervor.“ (Michael Wieler, Sächsische Zeitung vom 19.06.2020)

Anthroposophie sieht Machtstrukturen kritisch

Gibt es also keine Verschwörungstheorien, weil Wieler selbst keine erlebt hat? Im Unterton erahne ich ein grundsätzliches Verständnis des Bürgermeisters für die Haltung des Lehrers.

[Die Waldorfpädagogik] geht zurück auf Rudolf Steiner, ein wesentliches Erziehungsziel ist die freie Urteilskraft. (…) Ich breche eine Lanze für eine kritische Haltung gegenüber staatlichen und nichtstaatlichen Machtstrukturen. “ (Michael Wieler, Sächsische Zeitung vom 19.06.2020)

Lehrer Thomas B. zitierte bei seinen Hetztiraden gegen Staat, Wissenschaft und Medien auch Wilhelm von Humboldt – er gründete zusammen mit anderen Verschwörungsideologen sogar seine eigene „Wilhelm von Humboldt-Partei“ als „Kunstprojekt“.

Auch Bürgermeister Wieler beruft sich auf von Humboldts These „So wenig Staat wie möglich“:

Wir haben eine sehr stark organisierte Gesellschaft, sehr komplexe rechtliche Regelungen in allen Lebensbereichen, die der eine als Gängelung empfindet, mancher als genau richtig. Im Denken von Rudolf Steiner gibt es einen Ansatz, der auf Wilhelm von Humboldt zurückgeht: Der Staat soll so minimal wie möglich aufgebaut werden. (…) Ich finde es gerade in der Corona-Zeit gut und notwendig, dass wir uns mit der Bedeutung und den Grenzen der Selbstbestimmung kritisch und selbstkritisch auseinandersetzen.“ (Michael Wieler, Sächsische Zeitung vom 19.06.2020)

Die SZ hakt hier nach und fragt den Bürgermeister, ob nicht eben die erwähnte „Rolle des Staates“ ein Ansatzpunkt sei für Verschwörungstheorien. Wieler erkennt aber für sich keinen Zusammenhang zwischen der hellseherisch begründeten Waldorfpädagogik und Verschwörungstheorien:

Es führt aus meiner Sicht kein Weg von der Anthroposophie zur Verschwörungstheorie. (…) Ich sage definitiv, dass sich Verschwörungstheorien nicht aus dem Denken Rudolf Steiners ableiten lassen.“ (Michael Wieler, Sächsische Zeitung vom 19.06.2020)

Kein wahrer Schotte?

Bei Verschwörungstheoretikern liege „ein persönliches Problem vor, das nicht bewältigt ist„. Mal abseits der Küchenpsychologie: Erliegt Wieler hier vielleicht dem „kein wahrer Schotte“-Trugschluss? Ist von ihm gemeint: Da Anthroposophie nicht zur Verschwörungstheorien passe, seien Verschwörer keine wahren Anthroposophen, wie er sie sieht?

Das gelte dann ja folglich auch für die führenden Köpfe der Anthroposophie-Zentrale Goetheanum, des Waldorf-Bundes, der Waldorf-Kita-Vereinigung oder der Waldorf-Zeitung, die zur Zeit allesamt krudeste Corona-Theorien verbreiten. Sind die keine wahren Schotten?

Da liest man, Corona entstehe durch ungünstige „Planetenkonstellationen“ (Goetehanum), Infektionskrankheiten seien „karmisch“ bedingt (Waldorfkindergärten), es helfe sich seines „kosmischen Ursprungs“ zu erinnern und Globuli aus Weltall-Meteoriten einzunehmen (Waldorfschule), Corona sei nur ein „Hype“, doch gegen den „Freiheitsentzug“ sollte man sich „zur Wehr setzen“ (Waldorf-Magazin Erziehungskunst).

Verschwörungstheorien sollen Privatmeinung sein

Zur Erinnerung: Der Waldorflehrer B. vertritt im in Emails an Teile der Waldorf-Eltern, aber auch bei öffentlichen Reden die krudesten Thesen: Die Corona-Pandemie sei eine „Inszenierung„, öffentlich-rechtliche Medien wären „gleichgeschaltet“ und „faschistoid“ und Bill Gates betreibe Massenmord durch seine „Impfkampagnen„.

Bürgermeister Wieler spricht hier lieber über das Recht auf freie Meinungsäußerung:

„Dennoch hat man ein Recht, eine individuelle Meinung zu haben (…)“ (Michael Wieler, Sächsische Zeitung vom 19.06.2020)

Schule sollte sich nicht einmischen

Ein Lehrer müsse als „Persönlichkeit im Raum stehen„, so Wieler weiter, sonst werde er „blutleer„. Aber auch abweichende Meinungen sollte ein Lehrer darstellen könne.

Das mag stimmen – nur ging es darum nie: Ob Lehrer B. seine Thesen im Unterricht verbreitet hat, ist nicht bekannt. Zu einer klaren Positionierung der Waldorfschule Görlitz gegen die Thesen ihres Waldorflehrers rät der Bürgermeister nicht:

Ich denke, eine Schule ist nicht gut beraten, es sich zur Tradition zu machen, private Meinungen ihrer Lehrkräfte zu kommentieren.“ (Michael Wieler, Sächsische Zeitung vom 19.06.2020)

Persönliche Verbindungen zur Waldorfschule Görlitz

Bürgermeister Wieler zeigt sich also als begeisterter Unterstützer der Waldorf-Pädagogik. Auf die Kritik der Zeitung hin beschwichtigt er, mehr noch: Wieler stärkt im Grunde die Position des Waldorf-Verschwörungsideologen.

Kommentatoren bemerken unter dem Artikel der Sächsischen Zeitung, dass Bürgermeister Wieler vergessen habe zu erwähnen, dass seine Kinder in eben die Schule gehen, in der der Verschwörungsideologe sowohl Lehrer als auch Mitglied des Vorstandes ist.

Der Kommentar wurde gelöscht.


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