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Gastbeitrag: Impfen – behaupten, belabern, beeinflussen

Symbolbild: Schutzimpfung

Anthroposophische Ärzte geben sich beim Thema Impfungen neutral – doch was sich zwischen ihren Zeilen findet, ist tendenziös, unausgewogen und unwissenschaftlich. Eine Analyse von Gastautor IT Hurts When IP.

Impfen ist in der Welt der anthroposophischen Ärzte ein schwieriges Thema. Vordergründig wird weder eine Befürwortung noch eine Ablehnung von Impfungen propagiert. Man setze auf eine freie Impfentscheidung. Dennoch lassen einige Artikel Zweifel an dieser Behauptung aufkommen.

Vor kurzem nahm Gastautor IT Hurts When IP bereits den Artikel einer anthroposophischen Ärztin und offenen Impfgegnerin genauer unter die Lupe. Jetzt fand er ein bemerkenswertes Interview mit einem anthroposophischen Arzt in exakt dem selben Waldorfpädagogik-Blog.

Es handelt sich jedoch nicht um irgendeinen Arzt, sondern den Leiter der Akademie Anthroposophische Medizin. Und auch dieses Interview benötigte dringend einen Faktencheck.

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Neues von der Querfront

Logo der Freien Waldorfschule Görlitz „Jacob Böhme“

Görlitzer Waldorflehrer schickt Email mit Verschwörungstheorien an Eltern. Die organisieren zusammen mit Lehrern eine Demonstration gegen Corona-Maßnahmen.

Während die Corona-Pandemie andauert, nimmt die Gegnerschaft gegen staatliche Maßnahmen zur Eindämmung des Virus zu. Bei regierungskritischen „Hygiene-Demos“ bilden sich erstaunliche Querfront-Bündnisse: links-alternative Haltungen und rechts-nationalistische Ansichten mischen sich mit esoterischen Positionen. Ihre gemeinsame Basis finden sie in Verschwörungserzählungen.

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Grüne Gesundheitsexpertin ist gegen Impfpflicht – und für Pseudomedizin

Die Grüne Gesundheitsexpertin Kordula Schulz-Asche ist Mitglied des ständigen Ausschusses für Gesundheit des Deutschen Bundestages und Sprecherin der Fraktion für Gesundheitswirtschaft. Seit Jahren spricht sie sich gegen eine Impfpflicht aus – Homöopathie und Anthroposophie findet sie hingegen gut:

Die Grünen im Bundestag stehen einer Impfpflicht sehr skeptisch gegenüber. Statt auf Zwang und Sanktionen zu setzen müsse man das Vertrauen in eine gute Beratung stärken und auf herrschende Verunsicherungen eingehen, sagte die Grünen-Gesundheitsexpertin Kordula Schulz-Asche.“ (Westdeutsche Allgemeine Zeitung, 2019)

Laut Schulz-Asche ist eine Impfpflicht wegen der damit verbundenen „Risiken“ abzulehnen. Und: Flüchtlinge seien der Grund gewesen für die letzte große Masern-Welle in Berlin, 2015:

„Deutschlandfunk: Warum gibt es keine Impfpflicht?

Schulz-Asche: Weil natürlich mit Impfungen auch Risiken verbunden sind. (…) Der Ausbruch in Berlin ist ja zum großen Teil darauf zurückzuführen, dass durch Flüchtlinge aus Ländern, in denen nicht ausreichend geimpft wurde, die Infektion hierher getragen wurde.“ (Schulz-Asche im Deutschlandfunk, 2015)

Die Theorie vom „Masern-Flüchtling“ gilt jedoch als widerlegt:

Asylsuchende sind nicht Schuld am Berliner Masernausbruch (…) Nicht selten stehen Waldorfschulen im Fokus der Epidemien. Dort kam es 2010 in Essen und Berlin, 2011 in Offenburg oder 2013 in Erftstadt bei Köln zu Ausbrüchen. An den Schulen sind deutlich weniger Kinder immunisiert, die Rate liegt oft deutlich unter 80 Prozent.“ (Die Zeit, 2015)

Die Bezirksbürgermeisterin von Friedrichshain-Kreuzberg, Monika Herrmann, bringt die Masernepidemie 2015 mit anthroposophischen Waldorf-Einrichtungen in Zusammenhang:

Hermann will die Impfgegner nicht mit der pharmakritischen Tradition des grün-alternativen Wählerklientels in Zusammenhang bringen. Eher schon mit der relativ hohen Zahl von Waldorf-Kindergärten und -Schulen im Bezirk.“ (Der Tagesspiegel, 2015)

Auch im Berliner Landesamt für Gesundheit sieht man die Masern als Waldorf-Problem:

Silvia Kostner, Sprecherin im Landesamt für Gesundheit und Soziales Berlin, nennt Menschen, die ihre Kinder nicht immunisieren lassen, als wichtigen Grund für die Ausbreitung von Masern. Exemplarisch zählt sie Fälle von Ansteckung an Berliner Waldorfschulen auf.“ (Morgenpost, 2015)

Beim Robert-Koch-Institut sieht man es genauso:

Die beim staatlichen Robert-Koch-Institut für Impfungen zuständige Sabine Reiter erklärte die Impfskepsis bei Masern, Mumps und Röteln jüngst im Deutschlandfunk so: „In den deutschsprachigen Ländern, also auch in der Schweiz und Österreich, ist die Skepsis in weiten Teilen der Bevölkerung sehr verbreitet. Das kommt vor allen Dingen daher, dass viele denken, das sei eine harmlose Kinderkrankheit und das Durchmachen würde das Immunsystem stärken.“ Ferner wies Reiter auf den starken Einfluss von Anthroposophen in dieser Frage hin: „In den letzten Jahren, wenn wir Masernausbrüche in Schulen und Kindergärten hatten, waren die oft in Waldorf-Kindergärten oder anthroposophischen Schulen.“ (Deutschlandfunk, 2015)

Kordula Schulz-Asche hält große Stücke auf Homöopathie und anthroposophische Medizin. „Komplementärmedizin“ sei besser, als „jede Beeinträchtigung mit Chemie oder einer Operation anzugehen“. Auch wenn sie einschränkt: „Bei Homöopathie wissen wir nicht, wie sie wirkt“. Frau Asche zeigt sich als Befürworterin der esoterischen „anthroposophischen Medizin“. Nach einem Besuch der anthroposophischen Gemeinschaftsklinik Havelhöhe in Berlin stellt sie fest:

Es war einer jener Besuche, die mich als gelernte Krankenschwester besonders interessieren. Insbesondere die ganzheitliche, auf die Patienten ausgerichtete Medizin und die ganzheitliche, auch therapeutische Maßnahmen umfassende Pflege empfand ich als spannend.“ (Schulz-Asche.de, 2014)

tl;dr: Die Grüne Gesundheitsexpertin ist gegen eine Impfpflicht gegen Masern, weil Impfungen „Risiken“ haben. Masern seien ein durch Flüchtlinge eingeschlepptes Problem. Homöopathie könne heilen und unnötige Operationen vermeiden, man kenne nur den Wirkungsmechanismus noch nicht. Anthroposophische Pseudomedizin findet sie „spannend“ und „ganzheitlich“.


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