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Oldenburger Waldorfschule nimmt Kritik gelassen auf

Ein Oldenburger Waldorflehrer soll Verschwörungsmythen vor Schüler*innen verbreitet haben und trat bei Corona-Demonstrationen auf. Recherchen legen Verbindungen zu Rechtsextremen und Verschwörungsunternehmern nahe. Die Waldorfschule reagierte nicht auf Kritik. Nach Kritik von Jan Böhmermann am System Waldorfschule gibt sich die Schule betont gelassen – und sieht sogar einen „positiven Effekt“.

„Die Pandemie ist vorbei“ – Eine Verschwörungsideologin leugnet im Interview mit Markus F. in Oldenburg die Corona-Pandemie und fordert die „Staatsmedien“ auf, endlich die Wahrheit zu sagen. Quelle des Fotos: Video von Markus F. auf YouTube [gelöscht].

Nachdem der Satiriker Jan Böhmermann am 18.11.2022 in seiner Sendung ZDF Magazin Royale über „Esoterik, Intransparenz, Nähe zum Rechtsextremismus“ an Waldorfschulen berichtet hatte, reagierten der Bund der Freien Waldorfschulen und einzelne Schulen zurückhaltend. Die Existenz jeglicher Probleme an den esoterischen Privatschulen, die auf dem Glauben der „Anthroposophie“ nach Hellseher Rudolf Steiner beruhen, wurde in Vergangenheit in der Regel geleugnet oder verschwiegen. Auch heute geht man kaum auf die konkreten Vorwürfe ein.

Die Freie Waldorfschule Oldenburg nahm die negative Berichterstattung jetzt sogar wohlwollend zur Kenntnis: Sie sei gar nicht mal schädlich:

„Esoterik, Intransparenz, Nähe zum Rechtsextremismus: Jan Böhmermann hat gegen die Waldorfpädagogik ausgeteilt. An der Oldenburger Waldorfschule reagiert man gelassen und sieht sogar einen positiven Effekt.“ (NWZ Online Plus-Artikel, „So reagiert die Oldenburger Waldorfschule auf Böhmermanns Kritik„, 26.11.2022)

Das ist in sofern beachtenswert, als einer der bekannteren und deutschen Verschwörungsideologen, dem Kontakte auch in die rechtsextreme Szene vorgeworfen wurden, an der Oldenburger Waldorfschule als Lehrer für Biologie und Musik tätig war. Der Autor für diverse verschwörungsideologische und rechtsoffene „alternative“ Medienportale durfte für eine Waldorf-Frühjahrstagung in 2019 zum Thema „Internetrecherche“ dozieren.

Deutsch-Israelische Gesellschaft: Waldorflehrer verbreitet problematische Thesen

Der Waldorflehrer und Verschwörungsideologe Markus Fiedler aus Oldenburg verbreitete seine Verschwörungstheorien auf den so genannten Corona-Demonstrationen. Der Publizist und Rechtsextremismus-Experte Andreas Speit berichtete in der Berliner „taz – die tageszeitung“ nach einer Meldung der Deutsch-Israelischen Gesellschaft über eine „Alternative Schule mit alternativen Faken„. Den Artikel hat die Zeitung inzwischen vom Netz nehmen müssen.

Zeitungsbericht aus taz-die tageszeitung: „Alternative Schule mit alternativen Fakten

Die Vorwürfe sind hart. In Oldenburg soll der Lehrer Markus F. an der Freien Waldorfschule versucht haben, Schüler*innen zu beeinflussen – mit „äußerst problematischen Thesen“, wie die Deutsch-Israelische Gesellschaft (DIG AG) sagt.

Insbesondere die anhaltenden Verschwörungstheorie und die antisemitischen Denkmuster seien Anlass zur Sorge, schreibt Klaus Thörner, der Vorsitzende der DIG AG, in einem offenen Brief an das Schulleitungsgremium und bittet um eine Stellungnahme. An der anthroposophischen Schule fällt die Reaktion jedoch zurückhaltend aus. Auf taz-Nachfrage will eine Mitarbeiterin „aus datenschutzrechtlichen Gründen“ nicht einmal bestätigen, dass der Lehrer überhaupt an der Schule unterrichtet.“ (taz – „Alternative Schule mit alternativen Faken“ (gelöscht), 17.06.2020)

Verschwörungsideologe im Interview mit Ken „KenFM“ Jebsen

Auch die Auftritte des Waldorflehrers auf den so genannten Oldenburger „Hygiene-Demos“ bzw. „Grundgesetz-Demos“ wird kritisiert. Markus F. behauptete dort, man wolle einen „Totalitären Überwachungsstaat“ errichten. F. soll laut der taz auch dem Verschwörungsideologen und ehemaligen Waldorfschüler Ken Jebsen nahestehen und hatte diesen interviewt. Beide teilen beispielsweise Verschwörungsansichten über die Terroranschläge von 9/11.

Die Deutsch-Israelische Gesellschaft (DIG) Oldenburg veröffentlichte einen offenen Brief, unter anderem bei Facebook:

„Seit einigen Wochen nehmen wir mit Sorge die öffentlichen Aktivitäten des Lehrers Markus F. wahr. Es geht um eine Lehrkraft ihrer Schule, der Kinder und Jugendliche anvertraut werden (…)“ (DIG Oldenburg, Offener Brief an die Freie Waldorfschule Oldenburg, Facebook, 18.06.2020). Darin schreibt die DIG unter anderem, der Lehrer verbreite, Angela Merkel sei eine „Marionette“.

Antisemitische Denkmuster und Kontakte zu rechten Esoterikern?

Die Deutsch-Israelische Gesellschaft sorgte sich in einem offenen Brief von 2020 nicht nur um verschwörungsideologische Theorien und Fake News, sondern auch um mögliche antisemitische Denkmuster des Waldorflehrers:

[Markus F.] diffamiert Kritiker*innen der „Corona-Demos“ in Oldenburg, die in diesen Zusammenkünften eine Gefahr der Verbreitung von Unwahrheiten (Corona sei nicht gefährlicher als die Grippe), Verschwörungsglauben (die Maßnahmen sollen dazu dienen einen totalitären Überwachungsstaat zu errichten) und antisemitischen Denkmustern sehen, vor Ort pauschal als „Psychopathen“ und „rechtsextremistische Nationalisten, die in der Regel uneingeschränkt für Kriege sind, die durch die US- und israelische Regierung angezettelt werden.““ (DIG Oldenburg, Offener Brief an die Freie Waldorfschule Oldenburg, Facebook, 18.06.2020)

Auch die Kontakte des Waldorflehrers zu dem Verschwörungsideologen Ken Jebsen und dem rechts-esoterischen Kopp-Verlag, dem rechtsextremen Magazin Compact oder dem rechts-esoterischen Verschwörungsportal NuoVision TV gaben Anlass zur Sorge.

Waldorflehrer soll AfD und Pegida nahestehen

Der Lehrer scheine der AfD und der Pegida-Bewegung nahezustehen. Rechtsradikalismus verharmlose Markus F. mit dem Satz: „Ein Rechtsradikaler erzählt ja nicht nur Nonsens.

Die DIG fordert die Waldorfschule Oldenburg zur Stellungnahme auf:

Abschließend stellt sich somit grundsätzlich die Frage, ob bei Herrn F. die nötige Eignung für den Lehrerberuf vorliegt und er an ihrer Schule weiterhin tragbar ist? Wir bitten um eine Klärung des Sachverhalts und wünschen uns eine Stellungnahme von Seiten der Schule.“ (DIG Oldenburg, Offener Brief an die Freie FOldenburg, Facebook, 18.06.2020)

Die Webseite „Psiram – das Wiki für irrationale Überzeugungssysteme“ hat einen umfangreichen Eintrag über Lehrer F. erstellt. Dort wird ausführlich dargestellt, wie F. gegen angebliche Falschdarstellungen durch Wikipedia über den prominenten Verschwörungsideolgen Daniele Ganser vorgeht. Dazu habe er das Projekt „Wikihausen“ gegründet. Nachdem F. unter anderem bei YouTube gesperrt wurde, veröffentliche er seine Recherchen und Videos nun auf einem russischen Internetportal.

Waldorf-Tagung: Lehrer dozierte über „Medienkompetenz und Internetrecherche“

Das Recherchenetzwerk Esoterik in Oldenburg fand heraus, dass der Waldorflehrer seine Verschwörungsmythen auch bei bei der Hamburger Frühjahrstagung „Geistes-Gegenwart und Unterricht“ an Waldorfschüler*innen weitergab. Das ist vor dem Hintergrund interessant, dass Lehrer F. zuvor für „Alternativmedien“ wie das rechte Magazin Rubikon, das Verschwörungs-Portal KenFM, bei „Free21“ und den „Anti-Spiegel“ recherchiert haben soll.

Der Oldenburger Lehrer Markus F. sprach auf der Waldorfschulen-Tagung über „Quellenrecherche mit mehr als 6 Sinnen“:

Auf den Waldorfschulen-Frühjahrstagungen 2018/2019 in Hamburg hält #Wikihausen-Autor Markus F. Vorträge vor Erzieher*innen. Ab 2019 auch mit Kursen für Eltern und Schüler-innen ab Klasse 11″. Dabei bedient er sich seiner Verschwörungserzählungen und Beispielen aus Wikipedia.

Der Kurs im Jahr 2019 ist explizit für Schüler*innen. Er behandelt „Techniken, die man Schülern der Oberstufe als Orientierungshilfe in der digitalen Welt an die Hand geben kann.“ (Recherchenetzwerk gegen Esokram Oldenburg, Twitter, 18.06.2020)

Klagen gegen Kritiker und negative Berichterstattung

Waldorflehrer Markus F. ging nach der Berichterstattung gegen zahlreiche Personen und Institutionen vor, die über Verbindungen zu Rechtsextremen und Verschwörungsideologen berichtete hatten, mit Drohungen seiner Anwälte vor – darunter gegen die „taz“ und Anthroposophie.blog. In einem Gerichtsverfahren unterlag der Lehrer. Die negative Berichterstattung konnt er nicht aus der Welt schaffen.

Dass weder der Bund der Freien Waldorfschulen noch die Waldorfschule Oldenburg Einsicht zeigt und Probleme in ihrem System eingestehen, sondern dass Lehrkräfte und auch der Waldorfbund mit Anwälten gegen Kritiker_innen vorgehen, deutet darauf hin, dass in ihrer esoterischen Weltanschauung kaum Einsicht vorhanden ist. Die Skandale der Schulform sollen weggelächelt oder gar weggeklagt werden. Bisher gelang das aber nur mit sehr geringem Erfolg.


Mit Recherchen von Faktencheck KarlV und dem Recherchenetzwerk Oldenburg.

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