Massive Kritik an der Waldorfschule Duisburg: Lehrkräfte ohne Ausbildung und Qualifikation sollen dort Kinder unterrichten, wodurch die Abschlüsse der Kinder in Gefahr seien. Es geht auch um Vorwürfe der Vetternwirtschaft und Veruntreuung vieler zehntausend Euro. Eltern, Schule und der Waldorf-Bund sind seit langem verstritten.
Die Westdeutsche Allgemeine Zeitung berichtet im März 2023 über lange anhaltende Unregelmäßigkeiten an der Waldorfschule in Nordrhein-Westfälischen Duisburg. Es gehe um „Geld und Intrigen“. Gegen zwei Vorstandsmitglieder der Ganztags-Waldorfschule ermittele jetzt die Staatsanwaltschaft. Bei mehreren Durchsuchungen im Sommer 2022 seien „Datenträger in erheblichem Umfang“ sichergestellt worden, so die Staatsanwältin Melanie Anderhub. Diese würden noch ausgewertet.
Erhebliche Summen abgezweigt?
Aus dem Kreis des Fördervereins der privaten Ersatzschule hatte es eine Strafanzeige gegeben, bei der es um die Kontenführung der Privatschule ging. So sollen „erhebliche Summen“ privat abgezweigt worden und teils in den Sommerferien an Urlaubsorten abgehoben worden sein. Eine Kassenprüfung hätten die Geschäftsführerin Christine K. und ihr Sohn Benjamin, der im Vorstand des Trägervereins tätig ist, verhindert haben.
Konkret gehe es um „fragwürdige Barabhebungen, Karten- und Mietzahlungen in Höhe von 50.000 Euro“. Die Geschäftsführerin ist zugleich Vorstandsmitglied dieses Fördervereins. Die Geschäftsführerin K. nennt diese Vorwürfe „Unwahrheiten und Gerüchte“.
Vorwürfe der Vetternwirtschaft
Die WAZ spricht bei der Waldorfschule Duisburg von „Vetternwirtschaft“. So soll der Sohn der Geschäftsführerin zeitweise in einer von der Schule bezahlten Wohnung gelebt haben. Laut der Geschäftsführerin habe diese leer gestanden, der Sohn habe aber für die Nutzung gezahlt. Die Wohnung habe auf dem schwierigen Markt der Lehrkräfte helfen sollen, Assistenzlehrer anzuziehen. Das Mietverhältnis mit dem Sohn sei inzwischen beendet worden.
Finanzielle Ungereimtheiten gebe es jedoch zuhauf: Die Jahresabschlüsse für 2020 lagen bis Ende 2021 nicht vor. Bei einem Besuch der Waldorf-Landesarbeitsgemeinschaft seien viele Unterlagen „nicht zugänglich“ gewesen, da Frau K. „den einzigen Schlüssel zu ihrem Büro (…) nicht dabei habe“. Nicht einmal die Satzungen der Vereine seien einsehbar gewesen. In diesen sei auch die Anstellung des Sohnes von Geschäftsführerin K. festgehalten.
Mangelnde Qualifikation von Lehrkräften
Nicht alle Lehrkräfte sollen die nötige Qualifikation zum Unterrichten mitbringen. Dabei steht insbesondere der Sohn der Geschäftsführerin, Benjamin K., im Fokus. Er arbeite als Betreuer der 9. Klasse, sei aber ohne abgeschlossene Ausbildung. Benjamin K. mache zur Zeit ein Fernstudium in „Sozialer Arbeit“, dass von der Schule „in unbekannter Höhe finanziell unterstützt werde“. K. gibt an, sein Studium würde zurzeit „krankheitsbedingt ruhen“.
Wie viele weitere Lehrkräfte ohne abgeschlossene Ausbildung an der Freien Waldorfschule unterrichten, wollte die Geschäftsführerin nicht verraten – „aus Datenschutzgründen“. Die Landesarbeitsgemeinschaft der Waldorfschulen in NRW bemängelt, Geschäftsführerin K. würde die „Genehmigungsvoraussetzungen für Lehrer an Ersatzschulen nicht sicher beherrschen“. Auch beim Thema Inklusion habe sie „nahezu keine Kenntnisse über die Refinanzierung“. Wegen ihrer „Unsicherheit in einem Kernkompetenz-Thema“ seien der Schule finanzielle Risiken entstanden.
Die LAG spricht von einer „Gefährdung der Abschlüsse aufgrund fehlender und entsprechend qualifizierter Lehrer“. Es drohe daher eine Rückzahlung der Förderung durch das Land NRW, die seit 2016 fast 100.000 Euro betragen habe.
Kritische Eltern fristlos gekündigt
Zwei Elternpaare berichteten, ihnen und weiteren Familien sei der Schulvertrag fristlos gekündigt worden. Davon seien auch weitere Eltern betroffen gewesen. Nachfragen dazu beim Rechtsanwalt der Schule seien unbeantwortet geblieben.
Bereits Ende 2021 hatte der Elternrat beklagt, dass der Schulvorstand sich „nicht um die Vorwürfe kümmere“. Es gebe eine „mangelnde Kooperation des Fördervereins“, „nicht nachvollziehbare Kündigungen von Schulverträgen“ sowie eine „öffentliche Bloßstellung“ von Lehrkräften und Eltern.
Zeitgleich hätten eine Gruppe namens „Die Eltern der Ganztags-Waldorfschule Duisburg e.V.“ einen Brief und eine Unterschriftenliste an die Redaktion der Zeitung geschickt und eine „Intrige“ seitens der LAG unterstellt. Sie positionierten sich damit auf der Seite ihrer Waldorfschule. Auf der Liste befänden sich rund 40 Namen, bei denen nicht immer geklärt sei, ob sie persönlich unterschrieben hätten. Die Absender_innen bemängelten „Intrigen, Vorwürfe und Verschwörungen diverser Lehrer, Eltern und der Landesarbeitsgemeinschaft der Waldorfschulen“.
Aufklärung kommt nur stockend voran
Der Dachverband „Bund der Freien Waldorfschulen e.V.“ und die Ganztags-Waldorfschule Duisburg standen sich in dieser Angelegenheit bereits vor Gericht gegenüber. Eine Schlichtung durch die Landesarbeitsgemeinschaft der Freien Waldorfschulen NRW war zuvor gescheitert. Der Bericht der LAG lese sich wie eine „von Fassungslosigkeit geprägte Bestandsaufnahme“. Der Rechtsstreit sei jedoch „in guter Waldorftradition durch einen Kompromiss beendet worden“, so die Geschäftsführerin.
Der Waldorf-Bund leitete ein Ausschlussverfahren gegen die Schule ein, wogegen die Waldorfschule vor dem Landgericht Stuttgart geklagt hatte – und Recht bekam. In einem Brief einiger Eltern an die Redaktion der WAZ behaupten diese, die Schule hätte „uneingeschränkt obsiegt“. Die Kritik durch die LAG NRW tat man als „Hetzkampagne“ und „Intrigen“ ab. Vereinbarte Auflagen aus dem gerichtlichen Vergleich seien jedoch auch ein Jahr später nicht erfüllt worden, so die WAZ. Aktuell würden durch den Bund weitere rechtliche Schritte geprüft.
Dennoch sei der Sprecher der LAG NRW, Kai Jüde-Marwedel „hoffnungsfroh“, künftig eine „gedeihliche Zusammenarbeit zu definieren“.
Links:
Westdeutsche Allgemeine Zeitung „Anzeigen und Ermittlungen gegen die Waldorfschule Duisburg“ (24. März 2023)
Westdeutsche Allgemeine Zeitung „Bund der Freien Waldorfschulen: Massive Kritik an Duisburger Schule“ (24. März 2023)