„De utvalda barnen“ („Die auserwählten Kinder“) ist eine Reihe von Dokumentationsfilmen des schwedischen Filmemachers Jasper Lake über die Waldorfschule „Solviksskolan“ in Järna. Die esoterisch geführte Privatschule hat tiefe Spuren bei den Zeitzeugen hinterlassen, die in der Filmen vorkommen – sie sei ein „Experiment mit vielen Opfern“ gewesen. Nun liegt eine französische Übersetzung und ein deutsches Transkript des ersten Teils der Reihe vor.
Die Dokumentation hat für großes Aufsehen gesorgt und auch die Entscheidung der schwedischen Regierung beeinflusst, alle Waldorfschulen des Landes einer Prüfung zu unterziehen. Der Sender SVT beschreibt die dreiteilige Dokumentations-Reihe so:
„Der Filmemacher Jasper Lake hat sich immer privilegiert gefühlt, weil er keine Regelschule besucht hat. Er fühlte sich auserwählt. Besonderes. Doch als Jasper in seinen 40ern beginnt, mit seinen alten Schulkameraden zu sprechen, muss er feststellen, dass seine positiven Erinnerungen auf Kosten der Sicherheit anderer Schüler gingen. Hatte die Schule die Schüler heimlich in richtige und falsche Kinder eingeteilt? Je mehr Menschen er trifft, desto deutlicher wird das Bild eines Experiments mit vielen Opfern. Investigative Serie über eine Waldorfschule, die viele in Bildern gesehen haben, aber nur wenige haben sich getraut, die Wahrheit zu sagen.“ (Webseite „De utvalda barnen“ bei SVTplay.se)
Ehemalige Schüler_innen berichten, die Schule sei ein reines „Irrenhaus“ gewesen – eine Zeitverschwendung, da kaum etwas gelehrt oder gelernt wurde, da es keinen Lehrplan gegeben habe. Bücher oder Schulhefte habe es nicht gegeben – erst als die Schulinspektion zu Besuch kam, wurden eigens Hefte angeschafft und es wurde einen Tag lang „Schule gespielt“.
Die Schüler seien mit Esoterik konfrontiert gewesen, die sie teils nicht einordnen konnten. Kinder sollen in „richtige“ und „falsche“ Menschen sortiert und in esoterische Schubladen gesteckt worden sein. Die mehrteilige Doku-Serie beleuchtet die Schicksale der Opfer, von denen nur wenige sich vor die Kamera getraut hätten. Sie berichten darin von Schlägen und Mobbing, das nicht unterbunden wurde.
Der Anthroposophie-Kritiker Shadow Ombre präsentiert den ersten Teil der Dokumentations-Reihe auf seinem Youtube-Kanal mit französischen Untertiteln. Sie hat dort am 24. September um 21:00h Premiere. Die schwedische Dokumentation ist auf der Webseite des Senders SVT noch kostenlos zu sehen.
Im Folgenden findet ihr ein Transkript der Dokumentation auf Deutsch. Die Übersetzung aus dem Schwedischen stammt von den Twitter-Usern @castlemead, @Reftany, @HenrichsTobias und @orgelelch!
Transkript
De utvalda barnen
(Die auserwählten Kinder)
0:10 Das hier ist Järna.
0:20 Mitten in einem Wald, am Ende eines Kiesweges liegt die Solviks-Schule (im Folgenden S.), meine alte Schule. Eine ganz andere Schule. Wo Freiheit alles war.
0:50 Ich habe viele schöne Erinnerungen an meine Zeit in Solvik. Aber es sollte sich zeigen, dass mein Bild von Solvik herausgefordert werden würde. Alles begann damit, dass ich eine Facebook-Gruppe startete, um in Kontakt mit anderen zu kommen, die auf diese Schule gegangen waren. Innerhalb eine paar Tagen explodierte die Gruppe. Hunderte von Mitgliedern schrieben.
1:28 „Hast du geahnt, dass du eine ganze Welt entdecken würdest?“
1:35 ich habe mich entschlossen, diejenigen, welche geschrieben haben zu kontaktieren. „Was waren wir, 15, als wir uns zuletzt sahen?“ „ja, du warst noch klein. Ich war noch klein.“
1:55 „Es ist so schwer, diese Geschichte jemand anderem zu erzählen.“ „Das ist so seltsam.“ „Gewiss ist es das.“ „Ja, das ist es.“
2:06 „ich wurde (meine marn? unverständlich) genannt.“
2:11 Sie hatten in mir so viele Fragen geweckt, welche ich nicht loslassen konnte.
2:20 In einem sehr tiefen Brei herumrühren. (lachen) Es wird leicht kalt.
2:30 Es ist wirklich das Beste und das Schlechteste. An einer und derselben Stelle.
2:45 Es fühlt sich an wie ein Experiment. Ich fühle mich als würde sehr an mir herumexperimentiert.
2:55 Es gibt niemanden, der an diesen Sachen interessiert ist.hen geschaffen wurde.
06:08 Sie haben an vielen Orten Schulen gegründet, sogenannte Waldorfschulen
06:14 Es gibt ein erhöhtes Interesse an solchen Ideen
06:20 Warteschlangen bei Waldorfschulen…
3:00 Es gibt eine sehr schöne Außenseite.
3:10 Und unter der Oberfläche blubbert eine Art Brei.
3:15 Schau, was sie sagt. Schau, was er sagt. Was er gemacht hat. Es ist wie in einen Mülleimer gucken.
2:20 ich muss die Wahrheit (jätta)
3:25 Es ist als würde man etwas punktieren. Wenn man so sagen will. Als wäre es ein Ballon.
3:35 Wo es viel Licht gibt, gibt es auch Schatten und Wälder.
3:45 Was war es eigentlich, wo wir dabei waren. Wir, die Kinder der Solviks-Schule.
04:05 Oben durch die Luft
04.09 fort über das Meer
04:14 hin über das Land
04:18 in schwindelerregender Fahrt
04:24 Die Königen des Morgens
04:28 mit rosigem Stab (???)
04:42 winkt uns in eine aufwachende Welt hinaus.
04:55 Dieses Gemälde erkennen Sie sicher wieder
05:02 Gesichter, die Hoffnungslosigkeit und Tristesse ausstrahlen
05:07 die bald im Hamsterrad gefangen sind, die darauf warten ein simples Zahnrad zu sein.
05:11 in der großen „Gesellschaftsmaschine“
05:17 Viele von Ihnen werden ihre eigene Schulzeit in diesem Bild wiedererkennen.
05:25 Die Schule als Aufbewahrungsort, wo Träume verschwinden.
05:34 Und so dieses Mädchen hier,
05:39 das einzige in der Klasse, das aus dem Fenster schaut und von etwas anderem träumt
05:47 Ich bilde mir ein, dass meine Schule, Solviksskolan genau für dieses Mädchen (…)
06:22 Es war 1984
06:25 Ich war einer der ersten Schüler auf der Solvikskolan.
06:33 Alles handelte von Spiel, Freiheit und Kunst
06:41 Kunst, Chaos…
06:43 Eine unglaublich kreativer Platz bringt unglaublich kreative Menschen hervor
06:49 Sowohl in der Kunstwelt als auch in höheren Ämtern
06:52 Gleichzeitig ist es ein ziemlich andersartiger Ort
06:56 Man würde nicht denken, dass das eine Schule ist, sondern ein Irrenhaus
07:08 Das ist so unglaublich einzigartig und anders
07:15 wie ein anderer Planet, mit ganz anderen Regeln.
07:20 So in der Art „alles ist uns überlassen, wir schauen mal was das wird“
07:26 Solvikskolan ist eine sogenannte Waldorfschule
07:30 Die Waldorfschule ist dafür bekannt, ihren Schülern mehr Freiheit zu geben
07:33 und dafür, die Kunst ins Zentrum zu stellen.
07:38 Aber die S. trieb dies viel, viel weiter
07:47 Wir lasen nicht ein einziges Buch, während der ganzen Schulzeit nicht.
07:54 Die Aufgaben konnten z.B. sein: „Wir gehen wir in den Wald und sprechen über Geschichte“
07:57 Wir setzten uns unter einen Baum und pflückten Blumen.
08:03 Unterweisung, nein die gab es eigentlich nicht
08:04 Es war meistens Spiel
08:08 Drachenspiel
08:13 Quatschen über „Lajv“-Spiel (?)
08:20 Antilopentanz
08:26 man wusste nie, was in der Schule passieren würde
08:28 Man hat den Gedanken: “ Wir fahren ‚Teppich“/ ‚Matte'“
08:34 Alle werfen sich auf die Matte und versuchen sich gegenseitig herunterzudrücken.
08:39 Wir haben unglaublich viel balanciert. Hin und zurück
08:43 So konnte ein Schultag aussehen
08:47 Ringen und auf diesen Holzdingern herumgehen.
08:53 Ich hatte immer das Gefühl. dass wir Teil von etwas Großem waren.
08:58 von etwas Wichtigen. Die Frage war nur: Von was?
09:02 Man ging zur Schule, ohne sich richtig zu fragen, was eigentlich der Sinn dahinter war.
09:09: Ich habe mich niemals überhaupt gefragt, was der Sinn dahinter war.
09:17: Anrufton
09:19: Hallo, Jasper.
09:21: Hallo. Kannst du dich an mich erinnern?
09:24: Ja, ein bisschen. Ist ja schon lang her, die Erinnerungen heute…
09:29: Ich bin auf dem Weg zu Erik Norlin, einer der Lehrer aus meiner Schulzeit, der sich an den Diskussionen auf Facebook beteiligt hat.
09:42: Ich habe ja schon gehört, dass du dich mit dem verdammten Leben in in der Solvikschule befasst.
09:44: Du meinst, in der Gruppe? – Ja.
09:47: Ja hej, was da passiert ist.
09:53: Hallo – Hallo.
09:59: Die Schule ist generell eine totale Verschwendung von Lebenszeit.
10:03: Ein Schüler einer Regelschule hat etwa 12 000 Stunden Unterricht während seiner Schulzeit.
10:10: Das bedeutet, 6500 Stunden gehen damit drauf, dass man auf den Lehrer wartet.
10:17: sollen wir den Katzentracker entfernen?
10:25: Erik var nicht nur einer der Lehrer – Tatsächlich war er dabei, als die Schule gegründet wurde.
10:30: Es gab damals eine ziemlich starke Initiative, die Pädagogik stärker künstlerisch, experimentell, „versuchend“ auszurichten.
10:42 Da waren eine Menge junge Lehrer beteiligt, die Grenzen ausloten wollten, und die erlebten, dass die übliche Schule das künstlerische Potential ihrer Schüler nicht ausschöpfte.
10:57: Wenn du Kinder jeden Tag eine Stunde tanzen lässt, jeden tag eine Stunden singen, jeden Tag eine Stunde lang intelligente Spiele spielen, dann haben sie in jedem Fall immer noch genügend Zeit für alle anderen Fächer aufgrund des Vorteils, den sie so erhalten.
11:17 Es ist klar, dass das kein verlorenes Wissen ist. Das wussten wir.
11:20: Die Solviksschule („Sonnenbuchtschule“) war eine spannende Alternative in einer Zeit, in der viele in Järna auf die Suche, auf die Jagd nach etwas anderem gingen.
11:30 Lehrer und engagierte Eltern bauten die Schule zusammen auf.
11:37 Viele Kinder hatten jemanden in der Verwandtschaft, der in der Schule arbeitete. Das galt auch für mich.
11:41 Wir waren wie eine einzige große Familie.
11:47: Kerstin (Elternteil): Ich sehe das in gewisser Weise als eine Fortsetzung der68er-Bewegung.
11:52: Also, man brach mit dem konservativen bürgerlichen System und wurde Teil von etwas anderem, das mehr … anarchistisch war.
12:05: Es ging darum auszubrechen aus dem Zwangskorsett des alten Schulsystems.
12:09: Um neue Wege des Zusammenseins und des Lernens zu finden.
12:20: Was es hier in der Schule gab, das gab es nirgendwo sonst.
12:30: In der Solviksschule gab es keinen Rektor uns keine ausdrückliche Hierarchie.
12:34: Hier sollte jede Stimme gleich zählen.
12:37: (Marika, Elternteil): Das war anders und überhaupt nicht wie in einer anderen Schule, wie ich sie bis dahin kennen gelernt hatte, das verstand ich in dem Moment als ich dort hinkam.
12:48: ich kam an diesen Platz, und zu dieser Zeit gab es noch nicht viele Häuser dort.
12:59: Aber was es jedenfalls in einem dieser Häuser gab, das war Musikunterricht.
13:00: und in einem Raum lagen und saßen Kinder verschiedenen Alters aus der ganzen Schule, umarmten sich und sangen das Allegretto aus Beethovens 7. (Sinfonie), fünfstimmig!
13:20: So etwa (summend): – Soll ziemlich hoch sein -. (singend) Oben durch die Luft, weit über die Ozeane, über der Erde in schwindender Fahrt!
13:38: Ich wurde quasi erschlagen von dem, was ich sah. Es war eine unglaubliche Erfahrung. Es war magisch!
13:49: Und ich entschied: „Hierher soll mein Kind gehen!“
13:50: Dann stimmen alle anderen ein. Das ist die Oberstimme, die noch höher geht.
14:14: Die Idee der Solviksschule war, dass man durch Kunst und Spiele eine Welt (Landschaft) eröffnen kann, die macht, dass man sich eines Tages selbst auf die Suche nach Wissen macht.
14:33: Das ist etwas, das wir wirklich, wirklich zusammen wollten. Und das war ganz wunderbar.
14:41: Denk mal, das funktioniert, dass man die gleichen Sachen wie an der gewöhnlichen Schule lernt, aber auf einem viel lustigerem Weg!
14:57: Wir wissen, Schüler, die nicht vor 7 oder 8 in die Schule gehen dürfen, die lernen alles in zwei Jahren, weil sie einfach Hunger haben. Dass die Schulbeamten das nicht wissen durften, was wir machten, war eine ganz andere Sache.
15:14: Bei was man dort dabei sein durfte auf die alten Tage. Davon hätte ich nie geträumt!
15:24: Als die Solviksschule ihren Betrieb aufnahm, waren freie Schule immer noch etwas wirklich Außergewöhnliches.
15:26: Ja, genau das. 1982.
15:31: Die Politiker wollten Einsicht haben in das, was dort draußen im Wald vor sich ging.
15:35: “ – Im Auftrag der Schulbehörde folgt eine Lehrergruppe dem Unterricht in dr Waldorfschule in Järna.“ Das war meine Aufgabe.
15:43: Die Sozialdemokraten waren keine Liebhaber von freien Schulen.
15:53: Alle sollen ja genauso viel lernen. Zwei Pfannkuchen für jeden, für alle Kinder in ganz Schweden.
15:57: Es war eine fremde Welt, in die ich gelangte.
Zeitungsschrift: Schulbehörde in der Waldorfschule.
16:08 „Skolverket“ (Die Schwedische Schulbehörde) kam in der Tat mehrmals dorthin.
16:12: Normalerweise hatten wir keine Bücher in der Schule.
16:16: da mussten wir immer einen guten Eindruck hinterlassen. Man verstand, also ich verstand das zumindest, dass andernfalls die Schule sich in die Nesseln setzen würde.
16:25: „Und deshalb sollt ihr morgen Bücher haben!“ „Und ihr sollt Stifte haben. Wir sollen halt einfach Schule „spielen“!“
16:35: Und wir heuchelten, Unterricht zu haben. Ein einziges Mal.
16:39: „Und da sollen wir die Hände hochstrecken!“
16:43: Und so kam es, dass man fast ein bisschen patriotisch für die Schule wurde.
16:48: Man wollte ja auf der Seite der Schule stehen, gegen diese „Falken“ (Späher), die da kamen.
16:53: Es war ja eigentlich mehr ein Recht, dass wir die betrogen.
17:02: Wir waren Rebellen, und wir liebten es!
17:07: Aber die Schulbeamten durchschauten den Bluff.
17:12 „Wenn man unter dem Begriff Schule einen Ort versteht, wo Schüler unterrichtet werden, so wird man zögerlich, was man davon halten soll.“
17:18: Mir passte der Stil nicht, dass man unter der Bank liegen und dem Unterricht von dort zuhören konnte, zum Beispiel.
17:20: Es war nicht das gleiche für alle Kinder.
17:27: „Sie hatten keinen Lehrplan, in dem stand: dies und das ist in diesem Schuljahr zu machen.“
17:34: Nichts dergleichen gab es.
17:38: Kinder brauchen es, etwas zu lernen.
17:40: Man kann es nicht so wie hier machen und glauben, dass das klappt.
17:47: Es war so wie auf Droge. Das war es ohne Frage.
17:53: Um zu überleben war die Schule zu noch mehr ausgefeilteren Manövern gezwungen.
18:01: Sie schrieben jedes Jahr einen Bericht an Skolverket: „Das haben wir gemacht!“
18:07: Es kam schließlich dazu einen rettenden Engel jedes Jahr zu nennen und das Papier fertig zu machen.
18:13: Also, fälschen? Kann man das so nennen?
18:15: Ja, so kann man das nennen.
18:23: Aber das galt ja als „fälschen“ für eine gute Sache.
18:25: Man gab dem Kaiser, was des Kaisers war und Gott, was Gottes war.“
18:37: Wir kamen ohne Schulbeamte zurecht.
18:38: Für Erik und die anderen in der Schule war dies ein Segen. Sie konnten ihren Kampf für ihre Vision fortsetzen.
18:46: Ich denke, die Idee dahinter ist fein und ich glaube sicher, dass darin viel Potential liegt.
18:52: Aber wenn man nicht ein Buch zu lesen hat in der Zeit der weiterführenden Schule, so wird es irgendwann schwierig.
18:59: man kann ja nicht irgendwas aus der Luft greifen. Man muss schließlich irgendwas haben.
19:09: Nemi (Schülerin 1993 – 2000) Alles war ziemlich individuell. Für gewisse Kinder funktionierte dieser freie Lehrgang ziemlich gut.
19:17: Für andere funktionierte das überhaupt nicht.
19:22: Es resultierte für viele Kinder darin, die nirgendwo richtig hinpassten und die nicht wirklich ausreichend lernten.
19:39: Ich verstand nicht, wie schlecht das war, bis ich versuchte einen Job und Ausbildungsplatz zu suchen. Das war sehr schwer, denn ich konnte ja nicht schreiben.
19:53: Und wenn ich mir einen Job an der Kasse suchen sollte: Summen zusammenrechnen, das funktionierte ja nicht.
20:01: Im Zeugnis steht, dass ich einen VG (sehr gut bestanden) in Mathe habe, was aber nicht stimmt.
Denn ich kann kein Mathe.
20:14: Iduna (Schülerin 1990 – 1998): Es gibt einen Grund dafür, Themen zu lernen, die es in gewöhnlichen Schulen gibt. Ich hätte diese gerne gekonnt.
20:20: Das fehlt mir enorm im Leben als Erwachsene. Ich falle da immer zurück.
20:28 Nemi und Iduna sind weit davon entfernt, alleine mit ihrer Erfahrung zu sein.
20:36: die Facebookgruppe ist voll von ähnlichen Geschichten.
20:42: ich fühlte mich einer Ausbildung beraubt. Es fühlt sich nicht an, als hätte ich etwas lernen dürfen.
20:53: Es ist doch wahr, nicht lesen und schreiben zu können – da ist man behindert.
21:02: Es fällt mir jetzt auf, welches Risiko diejenigen auf sich genommen haben, die die Schule gegründet haben.
21:10: Inzwischen bin ich neugierig darauf, wie eure Gedanken gingen, als ihr so eine radikale Schule schafftet.
21:19: Das war einerseits so radikal, aber es war andererseits auch so – dass wir permanent danach suchten neue Wege auszuprobieren.
21:26: Es gab keinen Lehrplan. Es gab eine kreativ schaffendes Leere. Das musst du dir mehr als Chaos vorstellen, aber ein kreatives Chaos – das sich so allmählich ordnete.
21:44: Es gab keinen Plan.
21:48: Und wie… Okay… – Ja, wir können dabeibleiben.
21:52: Ich darf mich da ein bisschen dran stoßen, damit ich das verstehe.
21:56: Wenn du eine Pause brauchst, geht das.
22:01: Es gab also keinen Plan. Da können wir uns einigen?
22:04: Ja, oder wie? Das ist etwas erschreckend.
22:10: Das ist, sozusagen, ausgegrabener Boden
22:14: Der Plan war, dass es keinen Plan gab.
22:18: Kapierst du? Ein bisschen?
22:29: Das ist ein beunruhigender Gedanke: War das alles ein Experiment mit unserer Zukunft als Einsatz?
22:42: Es gibt nur einen Weg, das rauszufinden.
22:47: Hier fuhren wir mit dem Bus. 784.
22:49: Ich musste zurückfahren zu meiner alten Schule – denn dort gibt es eine Person, die vielleicht noch auf meine Frage antworten könnte.
22:55: Verstehe ich dich richtig, dass du, Ivar und Pär waren die Gründer dieses Neuen hier?
23:02: Vorreiter war vor allem Pär Ahlborn.
23:07: Ich musste Pär Ahlborn treffen.
23:21: Pär ist eine Person… Ähh
23:32: Aber – Wie beschreibt man Charisma?
23:33: Ich würde sagen, das Pär mehr ein spiritueller Führer war, oder ein Guru.
23:40: Ein Magiker.
23:46: Erik: Pär Ahlbom, er ist ja ein verrückter Teufel.
23:50: es gibt vieles, das ich für ihn verbannt habe.
23:54: Pärs Wort war wahrscheinlich Gesetz.
23:59: Erik: Aber er machte das hier jedenfalls.
24:09: Wenn es jemanden gibt, der die Vision der Schule beschreiben kann – und was unsere Rolle als Kinder darin war – dann ist das Pär.
24:21: Jetzt kommt Pär! – Hallo.
24:24: Hallo! Lange her. Ja, wirklich lange her.
24:29: Kannst du dich an mich erinnern? – Ja. Wir sehen, was das hier wird.
24:35: Gewöhnlicher Unterricht ist lebensgefährlich.
24:38: Eine Masse Daten mit verschiedenen Kriegen und so etwas musste ich in der Schule lernen.
24:42: Ausschließlich vollständig scheiße. Wozu verdammt brauche ich jede Menge Jahreszahlen?
24.44:Ich kann Hallands Flüsse der Reihe nach aufzählen: Ätran, Viskan, Nissan, Lagan, blablabla.
24:57: Wie ein Hund. Der Hund weiß,, wenn ich sage „Komm!“, dass er kommen soll und nicht gehen.
25:04: Und wenn ich sage: „Pfui!“ dann weiß er… Das ist Dressur, Gottverdammt!
25:14: Für ein Kind ist das so wahnsinnig, dass es das nicht verstehen kann.
25:20: Hallo.
25:23: Was war die Vision am Anfang?
25:27: Es geht nicht, die Schule über Bord zu schmeißen, also macht man eine Schule, die die Schule über Bord wirft.
25:33 Was dachtet ihr euch dabei?
25:38: Nicht zu moralisieren, nicht zu zwingen.
25:42: Ich habe niemals ein Kind getroffen, das nicht wollte. Niemals.
25:47: Ich habe immer nur Kinder kennen gelernt, die mehr lernen wollte, als ich ihnen beibringen konnte.
25:58: Pär wohnt direkt neben der Schule. Er spielt heute nicht mehr die gleiche zentrale Rolle-
– aber nach wie vor ist er der Mentor mehrerer Lehrer in Solvik.
26:10: Ich kenne Kinder seit 50 Jahren. Das ist so(?)
26:16: Ich habe nicht ein einziges Kind kennen gelernt, das sowas machen wollte:
Rein, raus, rein, raus, rein raus.
26:25: Sie wollen leben und andere Sachen ändern.
26:29: Und dann, 20 Jahre später, sitzen sie da und trinken Kaffee und labern Mist.
26:37: Ich bezeichne das als Mord.
26:43: Man hat hingekackt um sauber zu machen.
26:49: Und so rinnt das hinter dem Haus hinunter und der Boden nimmt Schaden.
26:50: Wir kommen mit rein. Da gibt es was Lustiges zu sehen.
26:58: So ist das mit Pär. Während ich ihm zuhöre, verstehe ich, wie er Menschen an sich ziehen konnte.
27:08: Kinder sollen kein armseliges Leben leben und lernen, armselige Menschen zu sein.
27:15: Sie sollen sich nicht an die große Masse anpassen, sie sollen die große Masse verändern.
27:19: Was er sagt, ist widersprüchlich. Einerseits klingt es selbstverständlich, so als beruhe es auf einer Tatsache.
27:29. Tanzen! Singen! Malen! Spielen! Mist, das andere!
27:37: Das kommt direkt von selbst. Mathematik, Geographie und Rechtschreibung.
Das kann man ruhig in 25 Jahren noch spülen. Das kann man immer noch machen.
27:54. Es gab einen Plan, trotz allem.
28:01: Wir sollten niemals das gleiche wie in einer gewöhnlichen Schule lernen.
28:05: Diese Linie hier hat viel Bedeutung.
28:12: Als Erwachsener kann ich aber nicht mehr die Augen davor verschließen, dass dieser Plan Konsequenzen hatte.
28:19: Gibt es denn kein Risiko, dass Kinder sich überhaupt
nichts beibringen?
28:24: nein, Das Risiko, das kann ich dir versprechen, das gibt es nicht.
28:30: Aber vielleicht bringen sie sich etwas anderes bei, als das was ich will, dass sie lernen. Etwas völlig anderes.
28:47: Meine ersten drei/vier Jahre in der Solviksschule verbrachte ich fast vollständig in der Natur. Ich plantsche im Flüsschen, fing Schlangen, und spielte Pyromane. Hallo!
28:58: Sara: (Schülerin 1984): Ich habe warme und schöne Erinnerungen an dich. Ein bisschen ein Schelm, ein Lausbub, etwas wild. das waren wir alle zusammen.
29:12: Wir besuchten die gleiche Klasse, deshalb hatten wir ja ein kleines Projekt gehabt.
29:17: Als wir im Schilf abgeschmiert waren… Du warst völlig verschwitzt. Sie sagten nur „Uff!“
29:22: Natürlich kann das manchmal schief gehen. Aber wie sonst kann etwas lernen?
29:29: Ich glaube, das ist gut. Der Mangel daran ist, dass Menschen ohne Verstand entstehen.
29:38: Wir sollten keine armseligen Menschen werden.
29:43: Man wollte, dass die Welt radikal verändert würde. Das war der Traum.
29:47: wir sollten nicht mit der Masse mitlaufen. Wir sollten die Masse verändern.
29:59: Ich habe es ja definitiv überwiegend positiv von damals, aber ich kann doch sehen, wie negativ viele, viele andere betroffen waren.
30:10 Es war verrückt. es war frei, es war heftig. Ich wollte keine andere Schule haben, aber es war trotzdem brutal, es war trotzdem eine harte Atmosphäre. In all dem Schönen gab es immer eine Schattenseite.
30:29 Dieser Unterschied zwischen ‚wir lassen dich in Ruhe‘ und ‚wir lassen dich im Stich‘, der ist eigentlich sehr haarfein. Es kann so aussehen, als würde man den Schülern Freiheit geben, aber eigentlich sind sie einem egal.
30:47 Kinder benötigen starke Rahmen. Wenn jemand in ein Klassenzimmer kommt, wo es keine Grenzen gibt, dann muss das Kind die Grenzen setzen und die Struktur geben.
31:01 Es wurde ein bisschen wie ‚Herr der Fliegen‘, also es wurde
31:07 Viel. Viel Mobbing. Viel Ausgesetzsein. (ev. besser: Vielem ausgesetzt sein.)
31:16 Zwischen den Kindern gab es ja sehr viel Gewalt.
31:20 Meine ersten drei Jahre waren solche Jahre, wo ich stark in der Vergessenheit verschwunden bin, wo viel schwarz geworden ist.
31:29 Ich habe gewisse Erinnerungen, dass ich in einen Raum eingeschlossen wurde. Vielleicht geschlagen. Ich weiß es nicht.
31:41 Man wird hingeworfen in eine Form von Freiheit, wo der Stärkste klar gewinnt
31:49 und der Stärkste steht zuoberst und der Schwächere zuunterst.
31:54 Man muss sich selbst beschuldigen, wenn man es nicht schafft, es zu schaffen.
32:03 Ich erinnere mich, wie ich durch einen Wald rannte und versuchte als Erste ins Klassenzimmer zu kommen, weil ich Zeit haben wollte, mich zu verstecken.
32:16 Und mein Versteck war zuoberst auf dem Kamin. Ich konnte kleine Bänke aufstapeln. Und dann habe ich mich zuoberst hingelegt. Dort hinauf würde keiner kommen. Das war mein geschützter Platz. Dort konnte ich liegen. Im Großen und Ganzen den ganzen Tag.
32:32 Die, die mich mobben wollten, hatten freie Jagdsaison. Alle konnten machen, was sie wollten. Einen großen Teil der Tage, saß man also nur im Wald und wartete, dass der Schultag vorbeigehen würde, so dass man wieder heimgehen konnte.
33:03 Nein, du musst… ja, du siehst es. Man muss wackeln. Hier war ungewöhnlich wenig Mobbing. So, wie ging es? Sie waren sicher. Hier gab es weniger Mobbing unter Schülern als an anderen Orten. So, das ist dummes Geschwätz, würde ich sagen.
33:37 So, sehen wir mal. Das sind verschiedene Zeitungsausschnitte. Und das hier bin ich. Da, Solvik. Sie handeln von einer Schule, die kein Mobbing hat. Die Schule, wo kein Mobbing existiert.
33:56 Ja, genau. Denn so hieß es: an unserer Schule haben wir kein Mobbing. Mobbing? Nein, das haben wir nicht. Wir haben kein Mobbing. So hieß es die ganze Zeit. Hier gibt es kein Mobbing. Das hier ist die mobbingfreie Schule. Das war so.
34:15 Gleichzeitig wurden ich und definitiv auch andere viele, viele Jahre lang gemobbt.
34:24 Pass auf. Du kannst es besser und besser.
34:31 Wir waren zur selben Zeit am selben Ort. Trotzdem haben wir auf eine Art ganz unterschiedliche Erinnerungen daran, was passiert ist. Mehrere, die ich getroffen habe, sagten, sie glauben, es habe in Solvik mehr Mobbing gegeben als an anderen Schulen.
34:59 Die, die mutig waren, kletterten ganz rauf und sprangen von ganz oben runter. Richtig wie ein Bungeesprung. Gib Gas.
35:10 Aber viele beschreiben auch, dass es eine Weise gab, sich aus diesem Exponiert-sein rauszunehmen.
35:15 Ja, gib Gas.
35:23 In unserer Klasse war man hundertmal besser, wenn man es wagte, zwischen Bäumen zu springen oder zuoberst hinaufkletterte und sehr gefährliche Sachen machte.
35:33 Es war gut, verrückt zu sein. Die Grenzen ausprobieren.
35:35 Das Wichtigste für einen Menschen ist Beweglichkeit und Mut. Der, der physisch mutig ist in seiner Kindheit, der wird dann auch seelisch mutig in seinem Leben.
35:49 Das war in der 4. als ich begann von Bäumen zu springen. Ich hatte nach meinen ersten drei Jahren ein großes Bedürfnis zu fühlen, dass ich sterbe. Die Lehrer sahen mich ab jetzt mehr. Ich wurde süchtig zu springen, da ich mich gesehen fühlte.
36:07 Ich liebte es zu schaukeln, abzuspringen und Saltos in der Luft zu machen. Ich habe alles gewagt und ich habe so viel Lob dafür bekommen.
36:17 Man konnte ein Kind in eine Form von Scheinwerferlicht stellen. Ein unerhörter Schein.
36:27 Es gab unglaubliche Möglichkeiten zu .. ja wirklich zu sterben.
36:41 Wir hatten diesen Trick hundert Mal gemacht. Und dann gehe ich raus und schaukle und mache einen Salto in der Luft – um mich hoch und runter zu werfen. Und es war fantastisch in der Luft. Es war wie fliegen. Ich liebte es. Doch dann war das Seil nicht da und ich fiel auf den Boden.
37:21 Ich habe mir einen Teil des Rückgrats gebrochen. Das änderte mein Leben ziemlich stark. Ich war ein „Daredevil“-Mädchen gewesen, nun konnte ich nicht mehr rennen und absolut nicht mehr klettern.
37:46 Als ich klein war, fielen die Kinder Mal aufs Mal von der Schaukel. Viele von ihnen mussten mit dem Rettungshubschrauber in die Notaufnahme geflogen werden.
38:02 Dass die Kinder sich verletzt haben – ist es das wert gewesen? Ja, das waren ja verschwindend wenige. Sie machen sich halt weh, wenn sie springen und hinfallen und sich die Knie aufschürfen. Viel schlimmer als wenn sie vom Seil runterfallen.
38:31 Vielleicht erinnert man sich nur daran, woran man sich erinnern will. Aber kann es wirklich eine Mobbingkultur an meiner Schule gegeben haben? Die gewisse Schüler dazu getrieben hat, sich total zu verdrehen, um gesehen zu werden?
38:53 Und wenn das wirklich so war, wieso sah ich das hier nicht?
39:01 Klingelton – Ja?
- Hallo! Ist dort Merete?
- Ja.
- Hej, hier ist Jasper Lake.
- Ja, aber, hallo! Hallo, du!
39:15 Es ist vor allem eine Person, die zum Symbol geworden ist, was Solvik für mich bedeutete: meine ehemalige Lehrerin Merete.
39:27 Ihr Einfluss auf mein Leben ist enorm gewesen.
39:35 Sie war nicht nur meine Lehrerin, sie ist auch eine der Gründerinnen der Schule.
39:41 Und muss mir helfen, zu verstehen, wie diese zwei Welten zusammenhängen.
39:48 Ja, hallo. Hier ist sie.
39:54 – Hallo
– Länger als du gedacht hast, oder?
– Ja. Wie schön, dich zu sehen.
– Gleichfalls.
40:04 Ja, aber mein Lieber. Du bist erwachsen geworden.
– Mit Bart.
– Komm rein.
– Danke.
40:15 – Es ist so schön, dich zu sehen. Sehr speziell.
– (Ist es das?)
– Du bist so wichtig für mich.
– Ich weiß.
40:26 Ich erinnere mich an mein bestes Bild von dir: als du dich übers Eis auf den Heimweg gemacht hast.
40:32 Kannst du dich erinnern? Dass du übers Eis heimgegangen bist. Das war lebensgefährlich. Ich sah dich dort wie einen schwarzen Punkt.
40:39 Und wieso das? Es war ja so dramatisch die ganze Zeit.
40:45 Es war immer Vollgas. Genauso war es.
40:54 Es ist so schön, eine erwachsene Perspektive auf etwas zu erhalten, was mein Leben als Kind war. Man wusste ja nie richtig … was es war.
41:05 Nein, nein, du weißt, das Ziel einer Lehrerin ist es, es hinzukriegen, dass es toll für Kinder ist zur Schule zu gehen.
41:27 Für mich ist es immer eine Schule gewesen, wo man ein fähiger Mensch wird.
41:36 Und ich war nie eine Gegnerin der Ausbildung.
41:41 Wir hatten viel darüber gesprochen, in welche Schulen wir gegangen sind und wie trist es gewesen ist.
41:50 Und dann folgte draus: So machen wir es nicht.
41:47 Ja. Alle diese Gedanken. Sie müssen umfallen dürfen. Sie müssen sich schlagen dürfen, wenn sie sich nicht einig sind.
42:07 So. Ja. Wenn man fällt und sich verletzt, dann kriegt man ein Pflaster.
42:18 Es ist ein schönes Wiedersehen, dieses Treffen mit Merete, nach all den Jahren.
42:25 – Hoppla.
– Hallo.
42:26 Aber gleichzeitig ist da etwas, was mich stört.
42:30 Die Worte, die früher so wichtig und groß wirkten, fühlen sich plötzlich ganz leer an.
42:38 Ohne die Eltern hätte es nicht funktioniert.
42:42 Diese waren, wie ich es erinnere, super positiv. Super froh.
42:48 Weil Kinder ach Hause kamen, die froh waren und dachten, dass Leben sei toll.
43:01 Merete war ja erwachsen, eine Lehrerin – und sie wirkt nur positive Erinnerungen an die Schule zu haben.
43:12 Kann sie wirklich all das Andere verpasst haben, was sonst noch passiert ist? Alles, was nicht gut war.
43:20 Sigrids Situation, schaffst du es davon zu erzählen?
43:24 Ihre Lage in der Schule? Ja…
43:28 Ich muss nur etwas Wasser haben oder so.
43: 35 Ich kann nicht.
43:42 Eine meiner Töchter wurde schwer gemobbt.
43:49 Eine der besondersten Menschen, die ich je getroffen habe. Extrem intelligent und gleichzeitig unglaublich naiv.
44:05 Einige Schüler duften nicht erfahren, dass sie wertvoll waren.
44:15 Es gab einige, denen im Prinzip kein Wert als Mensch zugeschrieben wurde.
44:22 Und dann .. konnte man die jagen.
44:28 Und das geschah oft auf Initiative der Lehrer.
44:37 Sigrid soll also während vielen Jahren gemobbt worden sein.
44:42 Aber nicht nur von Schülern, sondern auch von ihrer eigenen Lehrerin.
44:49 Sie wurde von ihrer eigenen Gruppe attackiert.
44:57 Als sie Sigrids Klasse übernahm, attackierte sie sie.
45:02 Wir bekamen Struktur. Sie kam mit Struktur und ordentlichem Unterricht.
45:08 Ich begann Dinge zu lernen. Das war heftig.
45:10 Sie brachte auch Mobbing mit, speziell gegen gewisse Schüler.
45:20 Und ich weiß, dass Sigrid… Ich glaube mich zu erinnern, dass Sigrid dem ausgesetzt war.
45:25 Statt ihr zu helfen, stichelte und verletzte sie.
45:35 Schließlich war es so schrecklich, dass ich sagte: ich lass dich nicht, bevor du mir alles erzählst.
45:45 Und da kam schließlich heraus wie furchtbar ausgesetzt sie dem gewesen war.
45:50 Ich rief die/den Klassenlehrer an und sagte:
45:55 Sie kommt nicht mehr in die Schule, bevor das nicht gelöst ist.
46:01 Zwei, drei (Mehrstimmiger französischer Renaissance-Gesang)
46:15 Helena ist immer noch Lehrerin in Solvik.
46:26 Ich verstehe, dass ich in den sauren Apfel beißen muss.
46:29 Und ich muss das so nehmen, denn es sind ja Schattenseiten.
46:33 Ihr sind die Anschuldigungen, die sich gegen sie richten, bewusst.
46:37 Sie hat trotzdem beschlossen, mich zu treffen, um ihre Sicht der Dinge aufzuzeigen.
46:44 Ich kann manchmal falsche Dinge sagen, die rutschen mir heraus.
46:47 Aber es kann ja passieren, dass die aus dem Zusammenhang gerissen sind. Ich weiß es nicht.
46:55 Das ist traurig. Ich fühle in mir nicht, dass ich das Bedürfnis gehabt hätte, sie zu attackieren, denn sie störte nicht.
47:01 Sie war eine, um die man besorgt war. Ehrlich gesagt, so fühlt es sich an als wolle man einen Sündenbock finden, weil es ihr nicht gut ging.
47:13 Sie war speziell. Sie hatte Sprachschwierigkeiten und ein schiefes (hängendes) Auge.
47:18 Aber sie hatte Freunde. Es ging ihr nicht schlecht, so weit ich das sah.
47:24 Auf einer anderen Schule wäre es viel schlimmer gewesen, glaube ich.
47:34 Sie hatte einen Sprachfehler und war etwas ungeschickt in ihren Bewegungen und so.
47:39 Wir scherzten, dass man auf der Solvik lieber grazil und schön sein und sich anmutig bewegen sollte.
47:47 Das war nicht ihre starke Seite.
47:55 Aber das richtig Unbehagliche – und ich fasse es nicht – wenn wir darüber sprachen
47:57 Und ich war ja im Kollegium. Die Konsequenz war, dass sie sich ändern sollte.
48:03 Nicht, dass die Schule sich dieses sehr ernsten Problems annehmen sollte.
48:09 Sie war schuld. „Klar, dass sie gemobbt wird, sie ist halt wie sie ist.“
48:21 Sie kämpfte sich durch die letzten drei Jahre. Ich kann nicht zu viel sagen,
48:30 weil sie nicht mehr hier ist. Es ist ja eigentlich ihre Geschichte.
48:37 Sigrid starb bei einem Verkehrsunfall als sie 20 Jahre alt war.
48:40 Ich erinnere mich gut an sie. Aber dass sie so gemobbt wurde, ging leider an mir vorbei.
48:48 Sie bekam nie eine Wiedergutmachung.
48:52 Ich schäme mich dafür, dass ich nicht selbst geschaut habe, dass sie sie erhielt.
48:58 Es war eine Riesenenttäuschung. Peinlich.
49:01 Es ist wahnsinnig schwer, wenn es um Sigrid geht.
49:21 Gemäß Kerstin fiel die Schuld auf Sigrid, weil sie so war, wie sie war.
49:30 Aber das Ganze handelt nicht nur von Sigrid.
49:35 So viele von denen, die ich traf, die in der Facebook-Gruppe schrieben,
49:38 beschrieben ähnliche Erlebnisse mit anderen Lehrern.
49:47 Es gibt sicherlich ehemalige Schüler, denen es schlecht erging
49:53 und auch wählen, das so zu sehen.
49:57 Pär: Das ist eine Mülltonne. „Schau, was sie sagte und was er gemacht hat.“
50:04 Das ist wie in einen Mülleimer gucken. Das ist halt so.
50:09 Das ist ein Papierkorb. Oder schlicht eine Dreckstonne (Scheißtonne).
50:12 Kot muss irgendwo hin. Zum Teufel!
50:17 Ich glaube nicht an diese Erinnerungen,
50:20 Mobbing haben wir immer sehr, sehr ernst genommen.
50:25 Ich glaube, das sind ganz einfach … Das sind Fake News.
50:31 Für Pär sind Erinnerungen „Fake News“.
50:36 Aber Erik hat eine ganz andere Sicht auf das, was ehemalige Schüler erzählt haben.
50:42 Sie bestätigten das, was ich bereits zu vermied zu denken, ja.
50:46 Das, was ich wusste, war wahr, von dem ich aber nicht wollte, dass es wahr ist.
50:53 Es gibt eine wunderschöne Fassade und das ist, was man sieht.
51:02 Und darunter blubbert eine Art Brei von etwas anderem.
51:15 Es geht fast nicht, das zu verstehen. Was ist denn das hier?
51:21 Je tiefer ich grabe, desto weniger verstehe ich.
51:27 Wie können zwei separate Erinnerungen an ein und demselben Ort Platz haben?
51:34 Wie konnte ich ein solch positives Gefühl von meiner Schulzeit haben,
51:39 wenn so viele andere, eine ganz andere Erfahrung gemacht haben?
51:45 Aber deine Rolle in der Klasse und der Schule war wohl ziemlich .. Ich erlebte dich
51:51 Du hattest eine Art der … Du warst nicht so involviert, fand ich.
51:59 Du hattest eine Position der Freiheit in deiner Klasse.
52:04 Es war sozial ziemlich angenehm für dich.
52:08 Merete fand, dass ich jemand war. Und das war halt ganz entscheidend. – Genau.
52.16 Ich erinnere mich an dich. Ich erinnere mich daran, dass sich sehr Vieles um dich drehte.
52:21 Jetzt erinnere ich mich, dass du – und dass meine ich auf eine gute Art –
52:27 ein Liebling von Merete warst. Sie liebte dich als Schüler wirklich.
52:32 Es war viel Jasper hier und Jasper da und du solltest die Hauptrolle spielen.
52:36 Ja, sie war interessiert.
52:40 Bist du mutig genug von hoch oben runterzuspringen? Kannst du schön malen?
52:46 Kannst du schön singen? Das ist wichtig, Dinge, die man können sollte.
52:52 Dass du eine große Seele hattest, dass du so offen warst, so flexibel.
52:59 Du konntest deine Gefühle zeigen und sie beschreiben.
53:04 Sie war auf eine Art fasziniert von dem, der du warst.
53:25 Ich habe immer gedacht, dass die Solvik Schule geschaffen wurde,
53:28 um dieses kleine Mädchen mit Flügeln zu bewaffnen.
53:32 Und so wahr es wohl auch. Ich war ein solches Kind. Und ich wurde mit der Freiheit betankt, der Kunst, Mut und dem Gefühl auserwählt zu sein.
53:45 Denn ich wurde als die richtige Art Kind angesehen.
53:50 Es gab eine Schattenseite. Einige befanden sich auf der anderen Seite des Zaunes.
53:56 Gab es Bevorzugungen und so? – Ja.
53:58 Das war auf gewisse Art mehr die Regel als die Ausnahme. Hast du etwas davon gesehen?
54:04 Ja, wenn du das jetzt sagst, dann erkenne ich das wieder.
54:09 Es ist komisch, dass ich daran nicht mehr gedacht habe.
54:14 Wenn du das sagst, erkenne ich es wieder, aber …
54:27 Es ist sonderbar. Da ich selbst immer beliebt bei den Erwachsenen war,
54:34 fiel mir diese Aufteilung nicht so stark auf.
54:41 Das ist furchtbar tragisch, dass das so ist, aber ich glaube, dass wohl alle das so erlebten.
54:50 Und das fühlt sich sehr krank an. Sehr krank.
54:59 Das ist ja fast das Schlimmste, was man Kindern antun kann:
55:02 sie aufzuteilen in die „kostbareren“ und die „weniger beliebten“.
55:08 „Gemäß meiner Bewertung bist du nicht gleich beliebt.“
55:15 Das schadet doch.
55:22 Viele beschrieben es als hätte es eine Art Idealkind gegeben.
55:31 Hast du das so erlebt?
55:34 Ich weiß, dass es das gab. Ja. Ich weiß, dass es Idealkinder gegeben hat.
55:40 Ich weiß, dass es das gab. … Ja.
55:45 Doch, ich weiß. Ich weiß, dass es das gegeben hat. – Ja.
55:54 Du weißt, dass…
55:59 Wie gesagt, die Schule hat auch eine sehr dunkle Seite.
56:04 Mit so einem Ideal und wie es sein sollte. Wie man Menschen verändern sollte.
56:10 Und was wirklich ist.
56:15 Doch, das gab es.
56:18 Ich stellte das die ganze Zeit in Frage.
56:20 Für mich war es die ganze Zeit:
56:24 „Diese Schule ist für alle. Sie ist für alle.“
56:29 Obwohl ich erkannte, dass nicht alle damit einverstanden waren.
56:34 Denn es sollte so sein. Aber für mich war es immer alle.
56:40 Alle Kinder. Alle, alle, alle.
56:44 Ich war ein wenig so .. nicht gemobbt. Aber: „Sie hat es nicht richtig verstanden.“
56:52 Hat man im Kollegium offen darüber gesprochen, wie ein Kind sein sollte?
56:56 Ja, man sollte auf eine bestimmte Art und Weise gehen … „So sollte man sein.“ – Ja…
57:04 Hübsch und … ich weiß nicht.
57:07 Man sollte mutig sein, man sollte beweglich sein, man sollte glücklich sein.
57:14 Ich weiß nicht. – Mmh.
57:30 Du rührst in einem sehr tiefen Topf.
57:38 Du machst das ja. Aber das macht nichts.
57: 43 Aber es wird etwas kalt. Es wird etwas kalt …
57:48 Wird es dir auch kalt? – Ja, das wird es tatsächlich.
57:53 Das wird es, denn man steckt ja gewissermaßen in der Geschichte fest.
58:00 Man steckt ja gewissermaßen fest darin. Man kann dem nicht entkommen.
58:06 Es soll aufgehen … Ja, genau.
58:10 darauf geschaut werden, es ruhen lassen.
58:15 Aber
58:19 (seufzendes) Ja
58:26 IM NÄCHSTEN TEIL – Es gab
58:28 Da war etwa dahinter. Ich weiß nicht, für was die Schule war.
58:38 Ich erlebe es nur als eine Dunkelheit.
58:44 Es drohte die ganze Zeit wie eine unsichtbare Gefahr:
58:46 Benehme ich mich nicht, so wird es die Bank.
58:50 Und du wusstest, dass auf dieser Schule etwas anderes vor sich geht, als das, was wir sehen?
58:56 Einer der anderen Schüler durfte mich mit seinem Gutheißen schlagen und treten.
59:02 „Bist du total scheiße blöd im Kopf?“
59_05 Oje. So schade, dass du seelisch geschädigt wurdest.
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Anthroposophie.blog – Alle Berichte zur schwedischen Waldorfschule Solvik in Järna