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Waldorfschule USA: Probleme mit Rassismus und Diskriminierung

Philadelphia: Eltern aus People of Color-Familien beklagen laut einem Bericht der Philadelphia Tribune „Diskriminierung und zügellosen Rassismus“ an der örtlichen Waldorfschule

Hier geht es nicht um enttäuschte Erwartungen, Missverständnisse oder sich gelegentlich äußernden Rassismus“, schrieb eine Gruppe
namens „Concerned Parents of Color“ (Besorgte Parents of Color) in einem Brief an die Verwaltung der Privatschule im frühen Sommer.

„Es ist ein durchgängiges Muster, das eine Art Sabotage unserer bisherigen Bemühungen um eine Verantwortlichkeit darstellt. Da unsere individuellen Beschwerden nicht gehört wurden, kommen wir als Gruppe zu Ihnen in der Hoffnung, dass Sie unseren Schmerz glaubwürdiger finden werden. Wir fordern Maßnahmen von denen, die Autorität, Einfluss und Gewissen haben.“ (Philadelphia Tribune – „Concerned parents speak up about racism, discrimination at Waldorf School of Philadelphia„, 15.08.2020)

Die Eltern haben Dutzende von Vorfällen aufgelistet, die Schüler oder ihre Familien in den letzten Jahren persönlich erlebt haben. Darunter fällt auch Schulpersonal, dass bei Schulveranstaltungen Sitzplätze in den ersten Reihen nur für Weiße Familien reserviert. Seit langem würden Teile der Elternschaft ausgegrenzt und ignoriert.

Ausgegrenzt, ignoriert, angebrüllt

Die Beschwerden von PoC-Familien seien ignoriert worden oder man habe ihnen einfach nicht geglaubt. Ein Lehrer hätte Schwarze Eltern in Anwesenheit der Schulleitung sogar „angebrüllt“, ohne dass das Konsequenzen gehabt habe. In der Schule gäbe es eine lange Tradition, Schwarze Familien als Eltern „zu verlieren“. Häufig käme es zu Mikroaggressionen: PoC würden in der Schule wortlos angestarrt, jede Unterhaltung mit ihnen würde verweigert.

Die „Besorgten Eltern“ haben die Schule jetzt aufgefordert, Maßnahmen zur Beseitigung der Probleme zu ergreifen. Sie fordern unter anderem die Entwicklung eines Plans zur Rechenschaftspflicht bei der Bekämpfung von Diskriminierung, die verstärkte Behandlung von Themen wie Diversity in Lehrer- und Schulbewertungen sowie eine veränderte Struktur des Schulkuratoriums, damit die Schulführung einen besseren Überblick bekommt und leichter zur Verantwortung gezogen werden kann.

Schulverwaltung will nun Abhilfe schaffen, Eltern bleiben skeptisch

Die Schulverwaltung gab an, sie sei „dankbar“ für den Brief der Eltern und „zutiefst betrübt, von den erlittenen Verletzungen zu erfahren“. Man habe sich verpflichtet, diesen Verletzungen nachzugehen und die interne Anti-Rassismus-Arbeit zu verbessern, so Geschäftsführer Anthony deGuzman.

Brendon Jobs, Vizepräsident des Kuratoriums der Waldorfschule, sagte, man habe einstimmig beschlossen, die Vorschläge der Eltern umzusetzen und noch bis zum Schulstart im September Abhilfe zu schaffen. Die Lehrkräfte hätten in den letzten Jahren bereits an Kursen wie „Wie man ein Antirassist ist“ und „Rassismus rückgängig machen“ teilgenommen.

Manche Eltern sind skeptisch: „Die Notwendigkeit, die Waldorfpädagogik so weiterzuentwickeln, dass sie für schwarze Kinder und schwarze Eltern sicher ist, hat gibt es schon lange“, so Waldorf-Elternteil Rolando Brown. Brown zweifelt an der Aufrichtigkeit der Reaktion der Waldorfschule und kritisiert, dass die Lehrer bei dieser Diskussion überhaupt nicht einbezogen würden.

Probleme unter den Teppich gekehrt

An der Waldorfschule, die ein Schulgeld von bis zu 18.200 Dollar pro Jahr verlangt, sind rund 70% der Schüler und 80% des Personals Weiße. Schwarze Eltern der Schule treffen sich seit Jahren zu Gesprächskreisen, um Diskriminierung und Rassismus zu debattieren. Die Schwarze Waldorfmutter Janelle Avant bezeichnet die Missstände als schwerwiegend, doch sie sei „ermüdet vom Umgang“ damit: Die Probleme würden „unter den Teppich gekkehrt“.

Als Avants Kind von einem Mitschüler ins Gesicht gespuckt wurde, hätte der Lehrer gesagt: Das glaube ich nicht. Ein Schwarzes Kind mit ADHS wäre aufgefordert worden, die Schule zu verlassen, Weiße Kinder mit derselben Verhaltensstörung jedoch nicht. Bei einem Schulkonzert hätten Schwarze Eltern die vorderen Sitzreihen wieder verlassen müssen, da diese für Weiße Eltern reserviert waren. Ein Vater, der sich darüber beschwert hatte, sei vom Lehrer bei einem persönlichen Gespräch „angebrüllt“ worden – weder die Geschäftsleitung noch die anwesende „Diversity“-Fachkraft wären dagegen eingeschritten.

Manche Eltern wollen gehen, andere wollen kämpfen

Es gäbe an Schulen eine Art geheimer Agenda, so die pädagogische Beraterin der Familie des von ADHS betroffenen Mädchens, Caryn Rivers.

Es scheint eine unausgesprochene Auffassung davon zu geben, wer die richtige Art von Kind ist und wer nicht.“ (Philadelphia Tribune – „Concerned parents speak up about racism, discrimination at Waldorf School of Philadelphia„, 15.08.2020)

Das Problem führt sie auch eine selektive Aufnahmepolitik amerikanischer Schulen zurück – diesem Vorwurf habe sich auch Waldorf zu stellen. Die anhaltenden Probleme mit Diskriminierungen hätten einige der Eltern erwägen lassen, die teure Privatschule zu verlassen. Andere wollten bleiben, und helfen, das System zu verbessern, so Rivers:

An der Schule gibt es eine Tradition von Schwarzen Kindern, die Schule zu verlassen. Bis die Waldorfschule ein Ort ist, an den Schwarze Kinder kommen und bleiben, gibt es noch mehr zu korrigieren. (…)

Jeder sollte sich dafür einsetzen, dass die Waldorfschule von Philadelphia ist ein sicherer Ort für Schwarze Kinder und Schwarze Eltern ist.“ (Philadelphia Tribune – „Concerned parents speak up about racism, discrimination at Waldorf School of Philadelphia„, 15.08.2020)


Hinweis: Zitate und Zuschreibungen sind aus dem Amerikanischen übernommen. Ich folge bei der Übersetzung den Empfehlungen von Amnesty International und der braune mob e.V., Zuschreibungen wie „Weiß“ und „Schwarz“ durchgängig groß zu schreiben. Die Initiative „der braune mob“ schreibt: „Es geht nicht um ‚biologische‘ Eigenschaften, sondern um gesellschaftspolitische Zugehörigkeiten.“


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Anthroposophie.blog zum Thema „Waldorfschule International“. An den esoterischen Privatschulen, die auf den Schulgründer und Hellseher Rudolf Steiner zurückgehen, gibt es weltweit ähnliche Probleme, beispielsweise mit Gewalt und Geheimhaltung, Rassimus und Mobbing.

In Rudolf Steiners Schriften hatte die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften in 2007 Passagen gefunden, die als „Rassen diskriminierend“ einzustufen seien, „weil der Autor darin Menschen verschiedener ethnischer Herkunft aufgrund körperlicher Merkmale in unterschiedliche Wertungsstufen einteilt.“


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