Weleda ist ein esoterischer Kosmetik- und Pharmakonzern aus Schwäbisch-Gmünd. Die Firma ging 1928 hervor aus den vom Hellseher und Okkultisten Rudolf Steiner ab 1921 gegründeten Firmen Futurum AG und Der kommende Tag AG.
Steiner begründete auch die Weltanschauung „Anthroposophie“. Diese hat ihre eigene, esoterische Evolutionserzählung; man glaubt auch, über zusätzliche, nur hellseherisch wahrnehmbare „höhere Welten“ zu verfügen. Aus Ideen des Hellsehers entstanden auch die „biodynamische“ Landwirtschaft nach Demeter oder die Waldorfschulen.
Dieser Artikel soll exemplarisch zeigen, wie der esoterische Glaube anthroposophische Firmen oft komplett durchdringt und wie absurdeste Praktiken und Verfahren in der Alternativmedizin zum Alltag gehören.
Dabei dient hier stark die anthroposophische Firma Weleda als Beispiel. Ihre „ganzheitliche“ und „sanfte“ Naturmedizin ist teilweise hochgefährlich, ihre Methoden sind schmutzig – und immer da bedenklich, wo Wissenschaftlichkeit durch anthroposophische Lobbypolitik untergraben und ausgehöhlt wird.
Geschäft mit Naturkosmetik und Pseudomedizin
Weleda macht rund 75% des Umsatzes mit Kosmetik und 25% mit „Arznei“-Mitteln. Diese Mittel sind überwiegend der Pseudowissenschaft „anthroposophische Medizin“ zuzurechnen. Die Weleda-Gruppe machte 2019 einen Umsatz von knapp 430 Millionen Euro.
Die Naturkosmetik kann sich auch durch hohe Preise die Verwendung hochwertiger Inhaltsstoffe leisten. Durch Maßnahmen wie den Verzicht auf Mikroplastik ist die Marke bei Kunden überaus beliebt. Doch selbst in Cremes und Düften stecken eine gute Portion Pseudowissenschaft.
Die „Medizin“-Sparte von Weleda stellt vor allem Pseudomedizin her, welche in Teilen gefährlich ist. Ähnlich wie die Homöopathen arbeiten die Anthroposophen mit extremen Verdünnungen, wollen aber zusätzlich die „Aura“ des Menschen oder die „Kräfte des Kosmos“ mit einbeziehen. Die Wirkung anthroposophischer Mittel ist nicht nachgewiesen.
In diesem Artikel lest ihr:
- Dokumentation gibt Einsichten in einen anthroposophischen Konzern
- Irreführende Werbung und fehlende Wirknachweise
- Weleda Metallspiegelfolien – Kosmische Kräfte wirken durch Fernheilung
- Weleda ließ Kritiker im Internet denunzieren
- Weleda zweifelt freie Berichterstattung über Homöopathie an
- Weleda-Skandal – Tödliche Behandlung mit „alternativen“ Krebsmitteln
- Weleda verharmlost gefährliche Kinderkrankheiten
- Aggressive Marketingkampagnen zielen auf Hebammen
- Staatssekretär für Verbraucherschutz empfiehlt Weledas Zuckerkügelchen
- Pseudowissenschaft auch bei Unternehmensentscheidungen
- Weleda-„Medizin“-Produkte werden durch Weleda-Kosmetik querfinanziert
Dokumentation gibt Einsichten in einen anthroposophischen Konzern
SWR-Dokumentation zeigt Esoterik und magische Rituale beim beliebten Naturkosmetik-Konzern. Mitarbeiter und Auszubildende werden mit Anthroposophie indoktriniert.
Einen seltenen Einblick in den Konzern bekam man in der Dokumentation des Südwestdeutschen Fernsehens (SWR): „Kosmetik aus der Natur – Weleda in Schwäbisch Gmünd“ vom 19.08.2015. Die Weleda-Mitarbeiter tauchen dabei selbst tief in den esoterischen Kosmos ein.
Rohstoffe werden kosmologisch angebaut und mit magischen Ritualen verarbeitet, manche Medizinprodukte sollen per geheimnisvoller Fernwirkung funktionieren. Die Mitarbeitern erhalten anthroposophische AddOns: Waldorf-Kindergarten, Eurythmie-Kurse und Massagen, Auszubildende bekommen Schulungen mit esoterischen Inhalten.
Methoden-Mix aus Astrologie, Homöopathie und Okkultismus
„Angebaut wird biologisch-dynamisch. Weleda bezeichnet sich selbst als „anthroposophisches Unternehmen“, das heißt Natur-Rhythmen beachten, kein künstlicher Dünger, keine Insektizide, keine Pestizide.“ (SWR)
Die Biodynamik ist eine pseudowissenschaftliche Anbauweise, die z. B. kosmische Rhythmen wie Mond- und Planetenstellungen berücksichtigt. Die vom Hellseher Steiner erfundene Methode zeichnet sich durch unwissenschaftliche Aspekte wie Astrologie oder Homöopathie aus.
Sicher ist der weitgehende (in Wirklichkeit aber nicht komplette) Verzicht auf Pestizide ein wunderbarer Ansatz. Astrologie als „Berücksichtigung von Natur-Rhythmen“ zu verklären ist jedoch ein starkes Stück vom Sender.
Kosmische Kuhantennen, magische Rituale und ein Wassergedächtnis
Der SWR zeigt auch, wie man homöopathischen „Dünger“ bei Weleda herstellt:
Kuhmist wird in ein Kuhhorn gefüllt und das Horn über Winter im Acker vergraben. Die Hörner seien „Antennen zum Kosmos“, die „astralische“ und „ätherische“ Strahlung aufnehmen. So würde der Kuhmist – mit kosmischen Kräften aufgeladen – zu „geistigem Mist“.
Der Mist wird dann zehntausendfach mit Wasser verdünnt – mit einem speziellen, magischen Rühr-Ritual: Genau eine Stunde lang muss die homöopathische Lösung – unbedingt von Hand – abwechselnd linksrehend und rechtsdrehend gerührt werden.
Dadurch sollen sich die kosmischen Energien auf ein angebliches „Wassergedächtnis“ übertragen.
„Er füllt Mist ins Kuhhorn. Das wird dann im Boden eingegraben.Die Energie der Kuh soll sich auf den Mist übertragen.“ Dann gibt´s Homöopathie: „Eine Stunde rühren, dann ist der biologisch-dynamische Dünger fertig“ (SWR)
Beim Rühr-Ritual empfiehlt es sich, positiv zu denken, so hört man.
Hellseherisch ausgewählte Heilpflanzen
Welche Pflanzen baut man bei Weleda für Kosmetik und „Medizin“ an? In der Anthroposophischen Medizin glaubt man: Der Mensch ist ein Abbild des Kosmos, seine Organe sind ein Abbild unseres Planetensystems. Mittel wählt man auch danach aus, welchem Planeten das kranke Organ zugeordnet wird.
Hellseher Steiner konnte die „Aura“ von Pflanzen erkennen und wählte Heilpflanzen auch danach aus, von welchem „Planeten“ sie stammen würden. Zu den Planeten gehören laut Anthroposophie auch die Sonne und der Mond.
Der SWR berichtet aus dem bio-dynamischen Weleda-Kräutergarten:
„Im bio-dynamischen Kräutergarten: Das Johanniskraut. Bei Weleda bezeichnet man sie auch als ‚Lichtpflanze‘.“ Sie helfe gegen Depressionen, denn: „Sie bringt dorthin das Licht, wo der Mensch im Dunklen lebt.“ (SWR)
Depressionen werden hier esoterisch verklärt – wer zu düsterem Gemüt neigt, soll also laut anthroposophischem Glauben eine Pflanze zu sich nehmen, die „Licht speichert“. Es ist zu erkennen, dass bereits die Auswahl der Rohstoffe durch Weleda auf Rudolf Steiners Hellseherei beruht.
Die Influencerin Priscilla Schürch schreibt über ihren Besuch im Weleda-Kräutergarten:
„Am Nachmittag hielt Weleda Experte Torsten Arncken einen interessanten und lehrreichen Vortrag zur anthroposophischen Pflanzenbetrachtung. Bei dieser geht es darum sich durch genaue und reine Sinneswahrnehmung so intensiv mit der Pflanze zu verbinden, dass sich daraus deren Zusammenhang zum Menschen und somit ihre spezifische Wirkung ablesen und verstehen lässt.“ (The Chic Advocate – „Zu Besuch im Weleda Erlebnisgarten„, abgerufen 18.09.2020)
Pflanzen anschauen, um ihre Wirkung zu erkennen? Wäre eine chemische Analyse da nicht besser? Nicht für Anthroposophen. Um das Hellsehen zu erlernen, muss man laut Weleda-Mitbegründer Steiner zuerst „Eingeweihter“ werden. Der „Erleuchtung“ gehen dabei meditative Übungen voraus.
Im Buch „Wie erlange ich Erkenntnisse der höheren Welten?“ beschreibt Steiner, man solle seine Aufmerksamkeit abwechselnd „auf etwas Wachsendes, Blühendes und Gedeihendes und auf etwas Welkendes, Absterbendes“ lenken. Bald würde sich vor dem geistigen Auge der „astrale Plan“, die „Seelenwelt“ auftun und man könne Formen und Linien erkennen, die „die geistige Gestalt“ der Pflanze darstellen.
Falsche Gedanken übertragen sich auf das Mittel
Bei der Verarbeitung der mittels Hellseherei angebauten und ausgewählten Pflanzen kommen okkult-magische Rituale zum Einsatz. In der Anthroposophie glaubt man offenbar an Gedankenübertragung. Dieser Ansatz findet sich jedenfalls in der Waldorfpädagogik, im biologisch-dynamischen Anbau und auch in der Medizin.
Hier wird ein Mittel „potenziert“, also im Wortsinne quasi „verstärkt“ – während man es in Wirklichkeit extrem verdünnt, oftmals bis unter die Nachweisgrenze. Nicht nur die „Informationen“ des Wirkstoffes sollen auf das Wassergedächtnis übertragen werden, sondern:
Falsche Gedanken könnten sich auf das Produkt übertragen.
Diese Mitarbeiterin fixiert daher beim rituellen Verschütteln einen Punkt an der Wand und versucht konzentriert, ihre Gedanken zu kontrollieren.
„Eine Spezialmethode: Das Potenzieren. Eine Heilpflanze wird stark verdünnt und dann mit einer ganz ungewöhnlichen Technik vermischt. Beim Mischen gilt absolute Ruhe und Konzentration. Noch nicht einmal falsche Gedanken sollten die harmonischen Bewegungen stören.“ (SWR)
Gedanken die sich auf das Produkt übertragen. Ein Produkt, bei dem sich die „Energie“ des Mitarbeiters auf die Inhaltsstoffe überträgt – das ist der Grund, warum Weleda hier keine Maschine zum Verschütteln benutzt.
Esoterische Tänze für Mitarbeiter
„Wer Mittags mal ausspannen will, macht Eurythmie, eine Tanzform.“ (SWR)
Eurythmie ist nicht nur eine Tanzform. Anthroposophen glauben, mit der vom Rudolf Steiner erfundenen „getanzte Sprache der Elfen- Gnomen und Engel“ eine mächtige, magische Technik zu besitzen.
Eurythmie soll nicht nur allerlei Krankheiten wie z. B. HIV lindern: Im biodynamischen Anbau betanzt man auch Pflanzen, um deren Geschmack oder Wachstum zu verbessern. Sie ist für Anthroposophen eine Zauberkunst, mit der man Menschen, Tiere, Pflanzen und sogar unsichtbare Naturwesen beeinflussen kann.
Die Vortänzerin: „Wir wollen alles Intellektuelle, das Denken weglassen.“ (SWR)
Quod erat demonstrandum.
Heilende Massagen mit magischen Symbolen
Mitarbeiter dürfen sich auch „rhythmische Massagen“ aus der pseudowissenschaftlichen anthroposophischen „Medizin“ gönnen, ein schönes Add-On. Auch hier geht es selbstredend nicht ohne Esoterik zu.
Diese Massagen sind nicht etwa nur Wellness, sondern sie sind angeblich eine „Heilung durch Berührung„. Und zwar für fast alle Krankheiten bis hin zu Krebs, so der Dachverband für anthroposophische „Medizin“, DAMiD.
Man massiere dabei „besondere Formen“ ein, wie das magische „Unendlichkeitszeichen“ der Leminskate, auch „liegende Acht“ genannt – oder gar Pentagramme.
Dadurch werde laut dem Dachverband Rhythmische Massage „der allem Lebendigen zu Grunde liegende Rhythmus wieder normalisiert„.
Das „Innere“ werde „durchwärmt„, „Rhythmen“ würden „normalisiert. Durch nichtssagende Formulierungen mogelt man sich geschickt um ganz konkrete Heilsversprechen herum. Mit denen könnte man sich mangels Nachweismöglichkeit in Schwierigkeiten bringen.
Anthroposophische Architektur, Farbenlehre und Schriftarten
Die Wände des Eurythmie-Saals vermeiden, wie auch das gesamte Gebäude, rechte Winkel. Diese seien laut Rudolf Steiner „unnatürlich“, da sie in der Natur nicht vorkämen. Diese Ansicht findet sich auch bei der Schriftart des Weleda-Logos.
Selbst die rosarote Farbe der Wände ist mit esoterischen Hintergedanken gewählt. Die Betrachtung roter Flächen erzeuge in den „Organen“ eine beruhigende „grüne Gegenfarbe„, so Rudolf Steiner. Wände und Fenster, Wandfarbe und Dekoration – alles ist vom esoterischen Glauben durchdrungen.
Esoterik-Workshops für Auszubildende
Die Azubis bekommen einen eigenen Esoterik-Workshop, bei dem sie ‚durch die Blume‘ ein wenig tiefgründige Anthroposophie eingeimpft bekommen. Der SWR lobt die „ganzheitliche“ Ausbildung im Hause Weleda so: „Sie lernen nicht nur Fakten!„.
Die Schulungsleiterin erklärt den jungen Leuten „Sprache geht immer auf die Ausatmung, immer weg von mir!„. Dann werfen die Auszubildenden symbolisch mit Worten.
Der SWR-Bericht geht sparsam um mit Kritik am Gebaren der Anthroposophen – wir dürfen für den Einblick dennoch dankbar sein. Die Dokumentation ist leider bei Youtube kürzlich gelöscht worden. Einen anderen Einblick gewährt Weleda in einem Imagefilm – inklusive magischer Verschüttelung ab Minute 07:15.
Fazit: Weleda baut nach esoterischen Methoden an, verarbeitet nach esoterischen Methoden, verkauft Esoterik. Mitarbeiter werden komplett in diesen Esoterik-Kosmos integriert. Doch Weleda greift noch weiter um sich.
Seine Kunden führt der Esoterik-Konzern bewusst an der Nase herum, wie das folgende Beispiel zeigt:
Irreführende Werbung und fehlende Wirknachweise
Weleda-Chef: Kunden kennen den pseudowissenschaftlichen Hintergrund anthroposophischer Mittel nicht – und das soll auch so bleiben
In einem Interview mit Apotheke Adhoc gab der neue Weleda-Entwicklungschef Ammendola an, er wolle „für die kommenden Jahre Evidenz für Weleda-Medikamente generieren„, an solchen Nachweisen würde es „mangeln„. Dazu brauche es die „Gewinnung von Fördermitteln für künftige wissenschaftliche Studien„.
„Zukünftig“? „In kommenden Jahren“? Weleda kann seit 1921 nicht erklären, wie ihr Hellseher-Hokuspokus eigentlich wirken soll. Und durch gesetzliche Ausnahmeregeln muss Weleda das auch nicht: Der durch intensive Lobbyarbeit erreichte, gesetzliche „Binnenkonsens“ befreit die „alternative“ Medizin von einem Wirknachweis. Die Mittel können ohne Medikamentenstudien zugelassen werden, Wirksamkeitsnachweise nach empirisch-wissenschaftlichen Kriterien müssen nicht erbracht werden.
Binnenkonsens: „Ein Binnenkonsens besteht hinsichtlich der Erstattung nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel der Anthroposophie und Homöopathie. Der Arzt kann sie bei schwerwiegenden Erkrankungen zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung verordnen (…) Arzneimittelrechtlich besteht in Deutschland ein Binnenkonsens bezüglich der zulassungspflichtigen Arzneimittel der Therapierichtungen Phytotherapie, Homöopathie und anthroposophische Medizin. Für sie sieht das deutsche Arzneimittelgesetz vor, dass in der Entscheidung über die Erteilung bzw. Verlängerung einer Vermarktungserlaubnis die „medizinischen Erfahrungen“ bzw. „die Besonderheiten“ dieser Therapierichtungen zu berücksichtigen sind.“ (Wikipedia: „Binnenkonsens“, Stand 11.06.2020)
Verwechselung mit Pflanzenheilkunde ist gewünscht
Mit der Werbung will man aber wie gewohnt weitermachen:
„In der anthroposophischen Ausrichtung vieler Produkte sieht Ammendola keine Umsatzbremse, da nach seiner Erfahrung etliche Kunden die Produkte aufgrund von Hörensagen kaufen, ohne den philosophischen Überbau zu kennen. Auch sei die Werbung weiterhin so geplant, dass für alle pflanzlichen, homöopatischen und anthroposophischen Stoffe mehrere Lesarten der Produkte möglich seien.“ (Apotheke Adhoc – „Weleda in Angriffsstimmung„, 2010)
„Mehrere Lesarten“ für unbedarfte Kunden, die den Hokuspokus-Hintergrund nicht kennen. Weleda ist sich bewusst, dass Kunden keine Ahnung haben, dass sie esoterische Scheinmedikamente ohne Wirknachweis kaufen.
Und Weleda „plant weiterhin„, Kunden durch Werbung eine „pflanzliche“ Wirkung vorzutäuschen. Und das, obwohl die meist homöopathischen Zubereitungen von Weleda in der Regel gar keinen Wirkstoff enthalten. Manche Produkte der anthroposophischen „Medizin“ sollen mit magischen Strahlen sogar aus der Ferne heilen können.
Weleda Metallspiegelfolien – Kosmische Kräfte wirken durch Fernheilung
Ein absurdes Weleda-Produkt: „Metallspiegelfolien“ heilen angeblich per „Fernwirkung“ mit „Planetenmetall“ von der Sonne
In der anthroposophische „Medizin“ nutzt man das „Planetenmetall“ Gold gegen Herzbeschwerden. Die „Metallstrahlung“ dieses „verdichteten Sonnenlichtes“ soll „Energieflüsse“ aktivieren.
Grundsätzlich gilt: Für die Annahmen der anthroposophischen „Medizin“ nach Rudolf Steiner gibt es keine Wirkungsnachweise. Sie ordnet den Organen beispielsweise Planeten zu, und diesen „sieben Planeten“ (darunter auch der Mond und Sonne) werden wiederum Metalle zugeordnet:
Planeten sind Organe sind Metalle sind Chakren
Dem Herzen ist Gold (Aurum) zugeordnet. Laut anthroposophischem Glauben waren Sonne und Erde einst ein gemeinsamer Körper. Als die Sonne sich abspaltete, blieb das Gold als „verdichtetes Sonnenlicht“ auf Erden zurück. Den Ur-Zustand dieses Metalls versucht man in der Herstellung durch aufwändige Verfahren wieder zu erreichen:
„Metall wird in einem elektrischen Feld in den Zustand eines energiereichen, farbig leuchtenden Plasmas versetzt, ähnlich dem frühen kosmischen Zustand der Metalle.“ (Vademecum für äußere Anwendungen in der Anthroposophischen Pflege – „Metallspiegelfolie„)
Das Gold wird dann auf eine Folie aufgedampft und diese mit einer Baumwoll-Rückseite versehen.
Metallstrahlung soll heilende Fernwirkung haben
Das Gold wird also nicht als Mittel eingenommen, es berührt den Körper nicht einmal: Das Planetenmetall soll durch magische Fernwirkung („Metallstrahlung“) heilen, wenn man die Folie in der Herzgegend anbringt:
„Dadurch kann eine für das jeweilige Metall spezifische Wirkung in ungewöhnlicher Intensität auf den menschlichen Organismus entfaltet werden („Metallstrahlung“).
Diese Wirkung tritt ein, obwohl durch eine dünne Baumwollschicht kein unmittelbarer Hautkontakt zum Metallspiegel besteht.“ (Vademecum für äußere Anwendungen in der Anthroposophischen Pflege – „Metallspiegelfolie„)
Laut Packungsbeilage kann das Produkt, wenn es noch sauber genug ist, unendlich oft verwendet werden – die kosmischen Strahlen scheinen nie schwächer zu werden. Weleda warnt sogar vor der „ungewöhnliche intensiven Wirkung“ auf den menschlichen Organismus:
„Die Anwendung von Weleda Aurum Metallspiegelfolie in der Herzgegend darf nur in Absprache mit dem Arzt bzw. mit der Ärztin durchgeführt werden.“ (Weleda)
Beweisen will man die Metallstrahlung durch die güldene „Herzmedizin“ offenbar nicht: In Weledas Beiblatt zum Mittel heißt es – wenn auch zur Anwendung in der Schwangerschaft: „Systematische wissenschaftliche Untersuchungen wurden aber nie durchgeführt.“
Fachartikel „Außenanwendungen mit Metallspiegelfolien“
Wer sich dem esoterischen Wahn in Reinform hingeben will, der lese den Artikel des „Fachportals“ AnthroMedics (Slogan: „Entwicklung, Forschung, Evaluierung“) zu den Weleda Metallspiegelfolien.
Es ist erschütternd, was die Esoteriker für Wissenschaft halten. Rudolf Steiners hellseherische Thesen wie die Evolution der Planeten (wir erinnern uns, die Sonne wurde aus der Erde wiedergeboren) werden dabei als absolute Wahrheiten schlicht vorausgesetzt.
Im Artikel geht es um anthroposophische Kosmologie und Evolution, Planetenkräfte, die Erdbildung im „Auflöse- und Vergeistigungsprozess“, um Metalle die strahlen, ent-werden (sic!) und „bis in die Substanzfügung Träger von zukunftsgestaltenden Kräften“ sind.
Weleda ließ Kritiker im Internet denunzieren
Weleda und andere Hersteller „alternativer“ Medizin finanzierten ein Watchblog im Internet, dass Kritiker einschüchtern sollte
Kritik hört man bei anthroposophischen Unternehmen wie Weleda nicht gerne. Wer kein Anthroposoph ist, darf gegnerell nicht über das kosmische Geheimwissen der Glaubensgemeinschaft urteilen.
Auch ist die Frage nach Wirknachweisen fast ein Frevel, hat man es sich doch im hunderte Millionen schweren Business ohne Nachweis so bequem eingerichtet.
2012 kam heraus, dass Weleda und andere Hersteller „sanfter Medizin“, darunter der ebenfalls anthroposophisch geprägte Konzern Wala, ihre Kritiker im Internet persönlich bloßstellen und anschwärzen ließen:
“Für den Deutschen Zentralverein homöopathischer Ärzte ist [Claus F.] offenbar für das Anschwärzen von Kritikern der Homöopathie zuständig. Jedenfalls wird seine Tätigkeit von der Homöopathie-Lobby und von Globuli-Herstellern unterstützt.
Ein „Sponsoring” seines CAM-Media.Watch-Blogs durch Globuli-Hersteller gab F. im August 2011 auch offen zu, um “Transparenz” zu schaffen: “Die Unternehmen Deutsche Homöopathie-Union (DHU) und Biologische Heilmittel Heel unterstützen CAM Media.Watch finanziell.”
Weitere Sponsoren sind die Firmen Staufen Pharma, WALA Heilmittel, Weleda und Hevert. 43.000 Euro erhält Fritzsche pro Jahr von diesen sechs Herstellern homöopathischer Produkte.
Arzneimittelhersteller finanzieren einen Journalisten, der die Kritiker ihrer Produkte anschwärzt – bei jedem herkömmlichen Pharmakonzern wäre dies ein Skandal.“ (Süddeutsche Zeitung – ”Schmutzige Methoden der sanften Medizin“, 30.06.2012)
Weleda zweifelt freie Berichterstattung an
Weleda verweigert Interview zur eigenen Globuli-Herstellung und unterstellt dem Spiegel, nicht objektiv zu sein
Bei der Recherche für einen Bericht über Homöopathie fragte SPIEGEL TV in 2020 Interviews bei Globuli-Herstellern an. Darunter die Deutsche Homöopathie-Union, Similasan, Pekana oder Wala. Die Firmen lehnten Interviews ab, darunter auch Weleda:
„Den Vogel schießt jedoch der Hersteller Weleda ab. Hier wird nach unserer Bitte nach einem Interview gleich die unabhängige Berichterstattung infrage gestellt.
Zitat: „Wenn nun ein Medium des SPIEGEL Verlags wie SPIEGEL TV anhand der Herstellung von Globuli über homöopathische Verfahren berichten möchten, können wir uns nicht vorstellen, dass dies im Kontext einer objektiven Berichterstattung geschieht.“
Souverän geht irgendwie anders.“ (SPIEGEL TV – „Hokuspokus Globuli: das Riesengeschäft mit der Homöopathie„, 19.12.2020)
Weleda-Skandal – Tod nach Behandlung mit „alternativen“ Krebsmitteln
Anthroposophische Firmen sind Markführer bei „alternativen“ Krebsmitteln. Einige behandelte Patienten starben. Die Mittel waren trotz fehlender Genehmigung weiter erhältlich.
Aus der Anthroposophie Rudolf Steiners kommt auch das Konzept der Krebsbehandlung mit Misteln. Der Hellseher und Weleda-Gründer habe erkannt, dass die Mistel „einen Astralleib hat wie ein Tier„, daher zu den „Pflanzentieren des Mondes“ gehöre. Mehr noch:
“Die Mistel muß deshalb in der heutigen Pflanzenwelt schmarotzen, weil sie ein zurückgebliebenes Wesen ist. Sie hat keine Empfindung mehr, obwohl der umhüllende Astralleib der Mistel ganz anders ist wie der der übrigen Pflanzen.” (Rudolf Steiner “Die Entwickelung des Menschen im Zusammenhang mit der kosmischen Entwickelung der Erde”, 1908, GA104, Seite 114)
Als Analogie ergibt sich: So, wie die Mistel sich einen Baum als Wirt sucht, sucht sich der Krebs ein Organ. Und wenn nach dem Simile-Prinzip der Homöopathie Ähnliches Ähnliches heilt, dann heile die Mistel also Krebs. Doch das ist seit 100 Jahren nicht belegt worden.
Trotzdem: Mistel-Präparate “gehören seit langem zu den am häufigsten angewandten Krebsmitteln in Deutschland, Österreich und der Schweiz„, informiert der dkfz Krebsinformationsdienst. Sie sind eine gute Einnahmequelle für die Anthroposophen von Weleda, Iscador und Co., die sie quasi exklusiv herstellen.
Ärzte spritzen Mistelpräparate direkt in Tumore
Doch die Mittel sind nicht ungefährlich: Nachdem es in Frankreich zu Todesfällen mit den „alternativen“ Krebsmitteln kam, wurde behandelnden Ärzten Berufsverbot erteilt:
„Der Arzt verschrieb 28 Injektionen von Mistelextrakt, einem Kräutermedikament, das dann von der Schweizer Firma Weleda unter dem Namen „Viscum album fermented“ verkauft wurde. Er selbst führt während mehrerer Sitzungen Injektionen in die Brust um den Tumor herum durch. Sehr schnell verschlechtert sich Stéphanies Zustand. (…)
Nach Monaten des Leidens starb Stéphanie am 18. März 2013.“ (Sciences et avenir – „Weleda im Herzen eines anthroposophischen Medizin-Skandals„, 2019)
Der Arzt erhielt zwei Jahre Berufsverbot, während denen er Seminare über Alternativmedizin hielt – auch über Krebsbehandlung mit Misteln. Vorher war bei einem anderen, anthroposophischen Arzt bereits ein Patient gestorben:
„Im Zentrum dieser beiden tragischen Fälle steht daher der fermentierte Mistelextrakt oder das Viscum-Album, eine der Säulen der sogenannten „anthroposophischen“ Medizin zur Behandlung von Krebs.“ (Sciences et avenir – „Weleda im Herzen eines anthroposophischen Medizin-Skandals„, 2019)
Weledas Krebsmittel waren trotz fehlender Genehmigung weiter erhältlich
Die Firma Weleda vertrieb das Mittel, das von anthroposophischen Ärzten auch direkt in Krebstumore injiziert wird, trotzdem weiter:
„Unsere Untersuchung ergab, dass Weleda, ein Schweizer Kosmetik- und Pharmaunternehmen, seine Bestände an einem Produkt zur Bekämpfung von Krebs in Frankreich verkauft, das seit 2018 nicht mehr zum Verkauf in Frankreich zugelassen ist.
Die auf Mistelextrakt basierenden Injektionsfläschchen hätten keine Wirksamkeit gegen die Krankheit und könnten sogar für die Kranken gefährlich sein.“ (Sciences et avenir – „Weleda im Herzen eines anthroposophischen Medizin-Skandals„, 2019)
Bis 2018 „profitierte Weleda von einer Einfuhrgenehmigung“ für sein „Kräuterprodukt“ in Frankreich – bis diese Genehmigung ablief. Testkäufer konnten das Mittel aber weiter erhalten, ganz ohne Rezept.
Einen Beipackzettel gab es nicht: „Durch Öffnen der Schachtel konnten wir feststellen, dass sie keine Informationsbroschüre über die Zusammensetzung des Produkts, seine Gebrauchsanweisung, seine Kontraindikationen und Nebenwirkungen usw. enthielt“
Das Mittel wird noch immer hergestellt, von anderen anthroposophischen Firmen:
„Die Iscador AG und Weleda setzen dieses Medikament jedoch seit Jahrzehnten durch diskrete, aber wirksame Lobbyarbeit fort.“ (Sciences et avenir – „Weleda im Herzen eines anthroposophischen Medizin-Skandals„, 2019)
Mistel-Präparate zur Injeketion gelten als gefährlich, weil sie gegen Krebs keinen sicheren Wirknachweis erbringen können. Es besteht die Gefahr, wirksame, evidenzbasierte Therapien zugunsten alternativmedizinischer „Behandlungen“ zu verzögern oder abzulehnen. Auch eine angenommene allgemeine „Verbesserung der Lebensqualität“ scheint sich nicht bestätigen zu lassen. Ihre Anwendung bringt dem Patienten somit oft gravierende Nachteile, dagegen wenige oder keine Vorteile.
Das Mistel-Geschäft geht weiter – auch Dank Lobbyarbeit
Das Medizinportal MedWatch schreibt über anthroposophische Lobbyarbeit und die Misteltherapie:
„Die finanziellen Verflechtungen zwischen anthroposophisch-medizinischer Forschung und Anthroposophie-Lobby reichen noch tiefer. In den Finanzierungsangaben der obigen Artikel taucht immer wieder die Software AG Stiftung auf. (…) Ihr Vermögen beträgt laut der Webseite der Stiftung „mehr als 1,2 Milliarden Euro“ (MedWatch – „Das vermeintliche Mistel-Wunder: Der Masterplan der Anthroposophie„, 03.12.2019)
Diese reiche anthroposophische Stiftung habe unter anderem Harald Matthes, dem Geschäftsführer der anthroposophischen Klinik Havelhöhe 2017 eine Stiftungsprofessur für Anthroposophische „Medizin“ an einem Institut der Charité Berlin bezahlt.
Zuvor war Matthes, obwohl Mitglied des Verwaltungsrates von Weleda, in der Forschung tätig – genauer, in der Forschung zu eben den Krebsmitteln von Weleda. Interessenkonflikte habe er jedoch nicht, gab Matthes an.
Methodisch einwandfreie Studien sind unerwünscht
An einem echten Wirknachweis seien die „Forscher“ jedoch gar nicht interessiert – das sei nicht der „Masterplan der Anthroposophie“:
„Dass groß angelegte, methodisch einwandfreie Studien zur Wirksamkeit der Misteltherapie von anthroposophischer Seite nicht verfolgt werden, könnte auch daran liegen, dass ein negatives Ergebnis aus ideologischer Sicht verheerend wäre. Immerhin ist die Mistel „unsere Speerspitze bei den Medikamenten“, wie Matthes im Interview von 2014 sagte“ (MedWatch – „Das vermeintliche Mistel-Wunder: Der Masterplan der Anthroposophie„, 03.12.2019)
Man wolle vielmehr „von der Binnenanerkennung zu einer echten Verbreitung der Anthroposophischen Medizin zu kommen„, so Matthes.
Anthroposophen: Was wirkt, bestimmen wir
Das zielt scheint, dass anthroposophische Ärzte und Forscher mithilfe reicher Lobbyorganisationen ihre hellseherisch begründete Pseudomedizin künftig weltweit verkaufen dürfen.
Und das, ohne korrekte Studien durchzuführen, sondern einfach nach dem Motto: „Was wirkt, bestimmen wir“. Doch dafür brauchen die Esoteriker eben eine „andere“ Wissenschaft, „andere“ Methoden:
„Was mit dem neuen Wissenschafts- und Methodenkonzept der anthroposophischen Medizin gemeint ist, kann man beim „Institut für angewandte Erkenntnistheorie und medizinische Methodologie“ (IFAEMM) nachlesen. Es ist der Universität Witten/Herdecke angegliedert (…)
Für die Beurteilung der Wirksamkeit einer Behandlung reicht es demnach, wenn ein behandelnder Arzt beim Vorher-Nachher-Vergleich eine Veränderung des Zustandes wahrnimmt. Das IFAEMM nennt diese Vorgehensweise Cognition Based Medicine.
Die so erhobenen Daten müssen dann nur noch gesammelt werden und von anthroposophischen Ärzten in akademische Artikel übersetzt werden. So soll die anthroposophische Erkenntnis- und Behandlungsmethode nach und nach an deutschen Universitäten, in Kliniken und Arztpraxen etabliert werden, mit der Misteltherapie als Speerspitze. Das ist der Masterplan der anthroposophischen Medizin.“ (MedWatch – „Das vermeintliche Mistel-Wunder: Der Masterplan der Anthroposophie„, 03.12.2019)
Weleda verharmlost gefährliche Kinderkrankheiten
Anthroposophen sind oft „impfkritisch“ oder gar Impfgegner – da sind sich das staatliche Robert-Koch-Institut, die Ständige Impfkommission, Gesundheitsämter und selbst die WHO sicher. Weleda-Gründer Rudolf Steiner befürchtete bereits 1917, durch Impfungen wollten dunkle Kräfte die Menschheit kontrollieren – und ihnen mit der Spritze die Esoterik austreiben.
“Ich habe Ihnen gesagt, daß die Geister der Finsternis die Menschen dazu inspirieren werden, sogar ein Impfmittel zu finden, um den Seelen in frühester Jugend die Hinneigung zur Spiritualität auszutreiben.” (Rudolf Steiner, GA177, S.237)
Als Anthroposophen vertritt auch Weleda Impfgegnerische Positionen. Weleda Island verbreitet auf ihrer Webseite impfkritische Inhalte, in denen Krankheiten verharmlost werden: Masern und Mumps seien zwar „unangenehm“, jedoch „absolut normal“ – und gehören zur gesunden Entwicklung eines Kindes eben dazu:
„Masern, Mumps, Windpocken und Röteln: So unangenehm es auch ist, es ist völlig normal, dass Kinder krank werden. (…) Als Kind krank zu werden, gehört zum Erwachsenwerden.“ (Weleda Island)
„Völlig normal“ ist es auch für ungeimpfte Kinder, an Hirnhautentzündung zu leiden – oder zu sterben. Ohne Masernimpfungen hätten wir zwei Millionen Tote pro Jahr zu beklagen.
Anthroposophen stellen angebliche „Entwicklungsschübe“ in den Vordergrund: Aus „ganzheitlicher Sicht“ betrachtet würden Kinder an Masern und Co. wachsen, zum Beispiel nach durchlebter Krankheit das erste Mal „Ich“ sagen. Die Eltern sollten Krankheit als „sinnvoll“ betrachten – und zulassen.
Weleda-Magazin über sinnvolle Kinderkrankheiten
Das deutsche „Weleda-Magazin“ liefert 2022 zum Thema Impfungen „Tipps vom anthroposophischen Kinderarzt„. Der Kinderarzt Prof. Dr. med. Alfred Längler der Privatuniversität Witten/Herdecke und Ärztlicher Direktor des anthroposophischen Gemeinschaftskrankenhauses Herdecke schreibt darin:
„Das Durchmachen von Krankheiten ist eine notwendige Voraussetzung für langfristige Gesundheit.“
Das gelte auch für „klassische Kinderkrankheiten“, die einen „sinnvollen Platz im Kindesalter“ hätten. Man solle den „Krankheitsverlauf unterstützen“ und ihn nicht mit „Anti-Medikamenten“ einfach „abrupt abkürzen“. Eltern sollten sich über die „Hintergründe“ der gängigen Impf-Empfehlungen informieren und darüber, welche „eventuell damit verbundenen Gefahren“ es gebe.
Gesundheit werde nicht gefördert durch eine „passive Abwehrhaltung“ oder einem „Schutz vor“ Krankheiten, Ziel sei vielmehr eine „Hilfe zu“. Sinnvoll sei ein Überdenken des Medienkonsums, eine gesunde Ernährung und feste Rhythmen – zum Beispiel durch „wechselnden Tischschmuck“.
Aggressive Marketingkampagnen zielen auf Hebammen
Gold „besänftigt das Herz“, „stärkt die Mitte“ mit „Sonnenhafter Qualität“ (via Scienceblogs)
Besonders intensiv bemüht sich die alternative Pharmalobby um Hebammen und Entbindungspfleger, die sie als Multiplikator*Innen ihrer esoterischen Behandlungskonzepte dringend brauchen.
Das hat für den Berufsstand auch Vorteile: Anders als Ärzte in der Geburtshilfe dürfen sie keine Medikamente verschreiben, und freuen sich oft darüber, legal eigene alternative und unschädliche Mittel empfehlen zu können. Unschädlich in dem Sinne, dass mit fehlenden Nebenwirkungen auch eine fehlende Hauptwirkung einhergeht.
Dazu bringen anerkannte Fortbildungen wertvolle Fortbildungspunkte. Man wird auf Kosten des Konzerns sogar manchmal mit einem Shuttle-Service chauffiert, mit Proben versorgt und verköstigt – und nebenbei mit kruder Esoterik indoktriniert.
Esoterische Pharmaindustrie lockt mit kostenlosen Fortbildungen
Die Kölner Skeptikerin Claudia Graneis hat 2013 eine solche Fortbildung bei Weleda besucht. Graneis erklärt:
“Hebammen fungieren als Multiplikatorinnen von esoterischen Behandlungskonzepten, was sie zum Angriffsziel besonders aggressiver Marketingkampagnen der esoterischen Pharmaindustrie prädestiniert. So bietet zum Beispiel die Schweizer Firma Weleda, Hersteller von anthroposophischen Arzneimitteln, Seminare und Lehrgänge für Hebammen an, die rege in Anspruch genommen und auch von Berufsverbänden empfohlen werden. (Claudia Graneis bei ScienceBlogs.de – “Heiße Luft für Hebammen – Das Training im esoterischen Denken beginnt schon vor der Geburt”)
Die Inhalte der Fortbildungen seien „haarsträubend„, so Graneis. Es kam die anthroposophische Theorie von den Körperhüllen zur Sprache – dem Ätherleib, dem Astralleib und dem Ich, die Menschen wie eine Aura umgeben sollen.
Anthroposophische Ansichten über Äther- und Astralleibe
In der anthroposphischen Medizin gilt Krankheit als Disharmonie dieser „Auren“.
„Was an Informationen zur anthroposophischen Medizin folgte, war in Inhalt und Darreichungsform haarsträubend – eine milde Apologetik von Rudolf Steiners Rassentheorie, ein Loblied auf rückständige Mediziner und eine Preisung der Anwendung anthroposophischer Konzepte in Landwirtschaft, Kosmetik, Pädagogik, Wirtschaft und Medizin. (…)
Es wurde über die vier Wesensglieder des Menschen gesprochen. Der unbelebte physische Leib, der dem Mineral im Menschen entspreche, also den Knochen; der Lebensleib, welcher die Pflanze im Menschen repräsentiere, also der Stoffwechsel; der Empfindungsleib – das Tier im Menschen (schließlich hätten Tiere eine Seele und ein Bewusstsein) und zu gute Letzt der Geistleib, die Ich-Organisation.“ (Claudia Graneis bei ScienceBlogs.de – “Heiße Luft für Hebammen – Das Training im esoterischen Denken beginnt schon vor der Geburt”)
Kritik an den Inhalten kam nicht auf:
„Neben der besorgniserregenden Naivität der teilnehmenden Hebammen fand ich auch die völlig unkritische Darstellung der esoterischen Konzepte anthroposophischer Medizin erschreckend.“ (Claudia Graneis bei ScienceBlogs.de – “Heiße Luft für Hebammen – Das Training im esoterischen Denken beginnt schon vor der Geburt”)
Kaufmännisch gewitzt, aber perfide
Graneis zitiert Cornelius Courts, Autor des ScienceBlogs Blood’N’Acid damit, dass solche Einflussnahmen „zu gleichen Teilen kaufmännisch gewitzt wie perfide“ seien:
„Der rationalistische Widerstand gegen esoterische und nicht wirklichkeitsbasierte Konzepte dieser (leider noch häufig) Nicht-Akademikerinnen ohne wissenschaftliche Ausbildung fällt offenbar (noch) geringer aus, als der vieler Ärzte. Zudem werden Hebammen viel schlechter bezahlt und sind daher mit preiswerteren „Zuwendungen” milde und aufnahmebereit zu stimmen als so mancher kreuzfahrtverwöhnte Mediziner.“ (Cornelius Courts via Claudia Graneis bei ScienceBlogs.de – “Heiße Luft für Hebammen – Das Training im esoterischen Denken beginnt schon vor der Geburt”)
Wie die gesamte Anthroposophie hat auch der anthroposophische Konzern Weleda starken Rückhalt in der Politik – insbesondere im Heimatland Baden-Württemberg.
Staatssekretär für Verbraucherschutz empfiehlt Weledas Zuckerkügelchen
Ende 2019 kam es zu einem kleineren Skandal, als der Parlamentarische Staatssekretär des Verbraucherschutzministeriums Christian Lange auf seinem Twitter-Kanal Werbung für die Homöopathiesparte der Firma Weleda machte. Lange schrieb am 08. Oktober 2019 auf Twitter:
„Hömöopathie gehört zu einer guten Patientenversorgung, darin war ich mir mit der Geschäftsführung der @Weleda_D in Schwäbisch Gmünd einig“ (Christian Lange, Mitglied des Bundestages, Wahlkreis Schwäbisch-Gmünd).
Nicht nur ist es unverständlich, dass ein Mitglied des Bundestages die Wirtschaftsunternehmen in seinem Wahlkreis offen bewirbt – auch ist sein Eintreten für Pseudomedizin ohne Wirknachweis „in der Patientenversorgung“ für einen Verbraucherschützer zumindest fragwürdig.
Es war nicht der erste Besuch Langes beim esoterischen Pharmakonzern – auch 2017 besuchte er zusammen mit der Bundesministerin für Umwelt und Naturschutz, Barbara Hendricks, die Firma. Hendricks ließ sich durch den „Heilpflanzengarten“ führen und nahm an einer Diskussionsveranstaltung teil.
SPD-Mann Lange erhielt umgehend deutliche Kritik, unter anderem vom Parteigenossen Kevin Kühnert.
Pseudowissenschaft auch bei Unternehmensentscheidungen
Die Geschäftsleitung von Weleda hat in 2020 Überlegungen angestellt, mit Internet-Versandhändler Amazon oder dem chinesischen Online-Marktplatz Alibaba zu Kooperieren.
Wie es sich für ein ganzheitlich-esoterisches Unternehmen gehört, wurde dazu eine pseudowissenschaftliche Entscheidungshilfe genutzt: Eine „Familienaufstellung“.
ZEIT-Autorin Barbara Achermann schreibt in ihrem Artikel „Im Reinen mit sich, der Natur und Alibaba“:
„Mit dem Online-Giganten Amazon zusammenarbeiten? Das sei, als würde man mit Haifischen schwimmen, sagt Nataliya Yarmolenko. Aber es bleibe ihr nichts anderes übrig. „Wir müssen!“ Also hat sie gemeinsam mit ihren Kollegen aus der Geschäftsleitung von Weleda eine Familienaufstellung gemacht. In diesem alternativpsychologischen Kammerspiel verkörperten Manager die beiden Firmen – hier der umweltverschmutzende Versandhändler, dort die naturliebenden Anthroposophen – und ergründeten ihren Beziehungsstatus. Selbst ein Strategieprozess funktioniert beim Naturkosmetikkonzern Weleda nicht ohne Esoterik.“ (Barbara Achermann – „Im Reinen mit sich, der Natur und Alibaba„, Die Zeit, 18.03.2020)
Sollte man Weleda-Produkte kaufen oder nicht?
Kritiker von Esoterik, „alternativer“ Medizin und Pseudowissenschaften haben eine klare Haltung dazu. Das Magazin „Telepolis“ fragte 2013 die Rudolf Steiner-Biografin Irene Wagner: „Wie schlimm ist es, Produkte von anthroposophischen Marken wie Demeter, Weleda oder Voelkel zu kaufen?„
“Das kommt darauf an, ob man grundsätzlich solche Betriebe unterstützen möchte. Ich würde die Produkte nicht kaufen, weil mir diese ganze anthroposophische Ideologie dahinter absolut missfällt. Es ist eine Art Verdummung der Menschen. (…).
Diese ganze Spinnerei des biologisch-dynamischen Anbaus kann man sich wirklich schenken. Man muss sich da nicht nach den Sternen richten und man muss auch nicht irgendwelche Kuhhörner vergraben oder Mäusen das Fell abziehen.” (Irene Wagner, 2013)
Quelle: Die Autorin von “Rudolf Steiners langer Schatten”, Irene Wagner, über Weleda, Waldorf-Pädagogik, biologisch-dynamische Landwirtschaft und anthroposophische Medizin im Interview mit Telepolis.
Weleda-Medizinprodukte werden durch Weleda-Kosmetik querfinanziert
Das Portal „brand eins“ weist darauf hin, dass man mit dem Kauf von Weleda-Kosmetik die defizitäre Medizin-Sparte von Weleda gegenfinanziert:
„Weleda produziert eine immense Zahl an Naturheilmitteln. Und das extrem ineffizient. Es kann vorkommen, dass ein bestimmtes Mittel nur 15-mal im Jahr verkauft wird. Dafür sind aber eigens Pflanzen angebaut und Maschinen angeschafft worden. In Deutschland und der Schweiz verbrennt Weleda im Durchschnitt mit jedem seiner Heilmittel Geld. (…)
Diesen Luxus kann sich das Unternehmen nur dank der Quersubventionierung durch die lukrative zweite Sparte leisten: die Naturkosmetik.“ (brand eins – „Weleda: Ätherisches Aufräumen„, 2017)
Ein Griff zur Weleda-Kosmetik macht also die Produktion hellseherisch begründeter anthroposophischer Pseudomedzin-Produkte erst möglich.