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Gastbeitrag: Gesichtlos

Die waldorfeigene Hauszeitung Erziehungskunst ist öfter Quelle von alternativen pädagogischen Ansichten. So wundert es auch nicht, dass sich ebenfalls zur Maskenpflicht geäußert wird. Teilweise mit merkwürdig anmutenden Vergleichen wie beispielsweise zum Tragen von Burkas. Ein Kommentar von Gastautor IT Hurts When IP.

Dass der Blog „Erziehungskunst“ manchmal von seinen Ansichten eher merkwürdige Thesen vertritt, ist bekannt. Seit neuestem wird offenbar auch die Maskenpflicht ein Thema. Der Chefredakteur des waldorfinternen Blogs beschreibt anhand einer beobachteten Szene seine Meinung zur Maskenpflicht.

Quelle: https://donotlink.it/jOVY7J -> Der Link gibt keine Reichweite bei Google für den Artikel

Bereits beim Intro sträubten sich mir die Haare: „Als man noch geduldig in gehörigem Abstand vor den Geschäften in der Schlange stehen musste[…]“ liest es sich da. Herr Maurer, falls sie es nicht mitbekommen haben, das ist noch immer so… die Corona-Zeit ist nicht vorbei und generell gebührt es der menschliche Respekt, dass man seinem Vordermann nicht direkt in den Nacken atmet. Aber sei’s drum.

Er beschreibt eine Szene: Ein kleines Kind wird von einem älteren Mädchen an der Hand geführt, welches „fröhlich seine ersten Schritte machte“. Was erstmal zu bezweifeln ist, da das meistens in den eigenen vier Wänden stattfindet. Aber solange es der Dramatik der Szenenbeschreibung zuträglich ist…

Dann der Plot-Twist, natürlich in fett und rot, denn jetzt Auftritt des „maskierten Ungetüms“. Die Tür geht auf und eine junge Verkäuferin „stürmt“ mit Maske dem Kind entgegen. Das Kind erschreckt sich und erkennt die Mutter angeblich erst als sie die Maske abnimmt. Jetzt muss man sich die Situation des Kindes vorstellen. Ein kleiner Dröpkes, mit Augen auf vielleicht gerade mal Hüfthöhe, der sich die meiste Zeit komplett auf das Laufen konzentriert. Das, aus meiner Erfahrung, mit größtenteils nach unten gerichtetem Blick, wird aus dieser Konzentration gerissen, denn das Mädchen sieht zunächst einmal Beine auf sich zugelaufen kommen. Erste Reaktion? Angst… unabhängig wer da kommt. Zudem wird nicht beschrieben wie schnell die Verkäuferin die Maske abnahm. Erst nachdem das Kind sekundenlang ängstlich hinter dem anderen Mädchen stand oder vielleicht auch direkt? Generell wirkt der Vergleich dramatisch überzeichnet, aber ohne bei der Situation dabei gewesen zu sein, ist es letztlich eine Beschreibung eines Anderen, unfrei von Interpretation der eigenen Wahrnehmung der Situation. Dieser Kritik kann meine Interpretation sich natürlich ebenfalls nicht entziehen.

Das verstehst du noch nicht…

Auch wird angesprochen, dass Kinder das Tragen einer Maske nicht nachvollziehen können. Das stimmt nicht, wie viele Eltern aus eigener Erfahrung wissen dürften. Kinder verstehen ab einem gewissen Alter sehr viel. Mehr als uns oft lieb ist. Erklärt man ihnen den Sinn der Maske korrekt, sind sie durchaus in der Lage das zu verstehen. Ob sie die Maske bis zu einem gewissen Alter korrekt tragen, auf- und absetzen und darauf achten werden sie nicht zu verschmutzen oder Ähnliches steht auf einem anderen Blatt.

Zugleich wird behauptet, dass zum Wesen der Maske gehört, dass man als Individuum nicht erkannt werden kann, ja soll. Auch das erlebt jeder Erwachsene täglich: Da grüßt man einen Bekannten und der erkennt einen einfach nicht… Spaß: Ich grüße jeden Tag Freunde, Bekannte, Arbeitskollegen, auch wenn sie überhaupt nicht mit mir an dem Ort rechnen und jeder von ihnen erkennt mich. Denn ein Gesicht ist mehr als nur der Mund oder die Nase. Ich erkenne Menschen an Augen, Ohren, Gesichtsform, Frisur oder individuellen Merkmalen oberhalb der Mund-Nasenpartie und der Kombination dieser.

Auch die Intention, die hier reingedichtet wird ist vor der Notwendigkeit der Maßnahmen, die sie ausgelöst haben, vollkommen aus der Luft gegriffen. Denn wir tragen die Maske in einem begrenzten Zeitraum, im ÖPNV, im Geschäft und vereinzelt in Fußgängerzonen. Autofahrenden ist es sogar, mit der Ausnahme von Fahrschulen und dem ÖPNV strikt verboten, Masken zu tragen.

Eine griechische Tragödie

Die Maske wird vom Autor mit Masken im griechischen Theater verglichen, die die Individualität des Menschen verschleiern und eine Rolle verstärken soll, die nicht dem Menschen hinter der Maske entspricht. Interessant ist hier, dass im griechischen Theater die Masken normalerweise das gesamte Gesicht bedeckten, anders als ein MNS. Die Maske würde wie eine Rüstung, ein modisches Accessoire oder wie eine Vermummung getragen. Die Möglichkeit, dass dies ebenso eine Verstärkung bzw. Repräsentation des wirklichen, individuellen Charakters dieser Person sein könnte, wird völlig ausgeschlossen, stattdessen wird behauptet jeder Mensch würde sich, mehr oder weniger bewusst, durch die Maske verändern.

Aber auch diese allgemeine Behauptung ist nur Mittel zum Zweck, denn sonst wäre seine nun folgende Meinung die reinste Luftnummer. Der Autor beschreibt diese „Rollenmaske“ als Mittel zur „sozialen und kulturellen Integration“, zur „sozialen Kontrolle“ und zur „Regulierung politischer Macht“. Eine Erklärung wie diese Behauptungen zu deuten sind, bleibt er vollkommen schuldig. Es bleibt erstmal eine unbelegte Behauptung seinerseits.

Nun kommt der Punkt: Masken seien aus pädagogischer Sicht bei Kindern völlig deplatziert. Warum? Weil er eine Meinung hat, die er noch nicht mal schlüssig begründen kann? Weil er eine Beobachtung gemacht hat in der noch nicht mal das Kind maskiert war, sondern die Mutter? Sehr wackelige Argumentationskette.

Die Burka des kleinen Mannes

Und jetzt kommen wir zu dem Bereich wo es richtig quer(denkend) wird. Denn nun schlägt Herr Maurer einen Weg ein, der einen nur verwundern kann. Er vergleicht die Maske mit einer Burka. Eine Äußerung von Jens Spahn, dass eine Burka zum Entziehen vor den Blicken anderer diene und dem Gegenüber die Möglichkeit verwehren würde, sich ein Bild von dieser Person zu machen, wird zitiert und behauptet dieses, für Spahn damals schwer vorstellbare Bild, sei heute für alle gesellschaftliche Normalität.

Für die Menschen, zu denen offenbar auch Herr Maurer gehört, die sich nicht mit dieser Art von Kleidungsstück auskennen wird der Vergleich mit dieser Tabelle hoffentlich deutlich:

MerkmaleMNSBurka
Verdeckt Mund
Verdeckt Nase
Verdeckt Augen
Verdeckt Ohren
Verdeckt Haare
Verdeckt Kopfform
Verdeckt Körperformen

Oder anders gesagt: Mit Vollverschleierung laufen aus meiner Erfahrung die wenigsten Menschen herum, selbst in Corona-Zeiten. Somit ist sie wohl kaum gesellschaftliche Normalität.

Es zeigt sich also, dass Herr Maurer versucht die bröckelige Fassade einer pädagogischen Bewertung von Masken bei Kindern zu nutzen, um gegen die Maskenpflicht generell zu sein. An Belegen und Begründungen mangelt es, es werden krude Vergleiche zu Burkas herangezogen, die an Äußerungen aus der politisch eher rechts gerichteten Ecke erinnern. Er nutzt somit selbst eine Maske die seine wahre Intention verbergen soll. Damn that’s meta.


Bildquelle: Janko Ferlic von Pexels

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